B. MATERIALIEN
1. ERSTMALIGE ERWÄHNUNG VON SAARBURG 964
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„Jeder, der in gutwilliger Meinung etwas von seinen Gütern den Kirchen Gottes zu Nutznießungsrecht überlässt, um zur Anschauung Gottes zu gelangen, wird nicht nur jetzt eine irdische Vergütung, sondern sicherlich ewigen Lohn in der Zukunft empfangen. Aus dieser Überlegung heraus habe ich, Siegfried, nur ein unwürdiger Graf, mit dem Hochwürdigsten Herrn Erzbischof Heinrich von Trier eine Übereinkunft getroffen und ihm in der Stadt Trier am Altare des hl. Petrus in gesetzlicher Form Teile meines Eigentums in dem Dorfe Odowinesluica gegeben, das im Saargau in der gleichnamigen Mark liegt. Von meinem Eigentum im Bidgau habe ich ihm einen Hof von 73 Morgen Ackerland und Wiesen gegeben mit allem, was an Weideland, Wasserläufen und Feldwegen dazugehört. Außerdem gehören dazu sieben Dienstleute beiderlei Geschlechts. Sie heißen: Manucho und seine Frau Bilicha, Falchilo und seine Frau Irmiza, Zhiericho, Tiezvol und Werinzo. Durch gesetzliche Übertragung habe ich zur Nutznießung aus dem
Eigentum des hl. Petrus von dem Vogt Huodilbert einen Hügel bekommen, der
in derselben Mark Bidgau liegt. Früher wurde er Churbelun genannt, jetzt
aber Saarburg; er liegt an dem Fluß Saar. Ferner habe ich erhalten sechs
Stücke Land, die bei dem genannten Hügel in dem Dorfe Leuken liegen, mit
allem, was dazugehört an eingezäunten Weiden, Wiesen. Wasserläufen,
Feldwegen, an bebautem und unbebautem Land. Ferner gehören dazu 13
Dienstleute beiderlei Geschlechts, sie bleiben in demselben
Dienstverhältnis, in dem sie bisher standen. Beides, was wir gegeben haben und was wir erhalten haben, sollen ich, meine Frau Hadwig und unser Sohn Heinrich zeitlebens ungestört behalten und besitzen und an den Altar des heiligen Petrus jährlich einen Zins von 6 Denar zahlen. Jeder, der diesen Nutznießungsvertrag brechen will, wird gezwungen, 10 Pfund Gold zu zahlen, und was er sich daraus nimmt, soll ihn nicht bereichern. Nach unserem Tode soll beides, das Gegebene und das Empfangene, dem Besitz und der Herrschaft des hl. Petrus anheimfallen und in seiner Gewalt bleiben. Damit dieser Nutznießungsvertrag in ungetrübter Ruhe und Sicherheit bestehen kann, habe ich, obengenannter Heinrich, unwürdiger Erzbischof, eigenhändig unterschrieben und durch die Unterschriften unserer Getreuen bekräftigen lassen. Zeichen des Herrn Erzbischofs Heinrich, der diesen Vertrag schreiben ließ und eigenmächtig bestätigte. Zeichen des Erzdiakons Thiedo usw. Im Namen Gottes öffentlich gegeben zu Trier im Dom des hl. Petrus an den XV. Kalenden des Monats Oktober (= 17. September), im Jahre 964 der Geburt des Herrn, im 29. Jahre des glorreichen Königs Otto über das Reich Lothars, in der 7. Indiktion.“ Übersetzung aus dem Lateinischen nach: Philipp Wey, Graf Siegfried von Luxemburg und der Vertrag von 964 – 1000 Jahre Saarburg, in: Heimatbuch des Kreises Saarburg 1964, S. 5 Fragen zum Text: |
Graf Siegfried von
Luxemburg (963 – 998) gibt dem Erzbischof Heinrich von Trier Teile
seines Eigentums in dem Dorf Odowinesluica (Oberleuken) und einen Hof im
Bidgau. Vom Erzbischof bekommt er zur Nutznießung den Hügel Churbelun/Sarburg
und Land in Leuken (Niederleuken). Beides bleibt bis zum Tode des Sohnes
Heinrich zur Nutznießung im Besitz der Luxemburger Familie. Dafür zahlt
er einen sehr kleinen Jahreszins und – was schlimmer ist – juristisch
möglicherweise mit dem Verlust der ehem. Güter in Odowinesluica und im
Bidgau. Er rechnet aber damit, dass der Vertrag schon vor Ablauf der Frist
verlängert oder erneuert werden konnte. Es handelt sich hier um einen Prekarie – Vertrag (precaria remuneratoria), überliefert in den „Balduineen“ zwischen 1330 und 1335, d.h. um eine Leihe, ein Geschenk auf Zeit, das im Laufe der Zeit jedoch erblich werden konnte: Siegfried gibt Güter dem Erzbischof, die er gleich wieder zurückbekommt, vermehrt um den Churbelun und die Güter in Leuken. Da es sich um Kirchengut handelte, das nicht verkauft oder ganz verschenkt werden durfte, gab es Erzbischof Heinrich von Trier dem befreundeten Grafen Siegfried von Luxemburg und dehnte dessen zeitliche Verfügungsgewalt darauf noch auf den Sohn Siegfrieds, Heinrich, aus. Noch nach dem Tod Heinrichs (998 – 1026) war sie im Besitz der Luxemburger und fiel erst nach dem Tod dessen Bruders Adalbero, Probst von St. Paulin (+ nach 1036), an die Domkirche zurück. Die Schenkung wird auf Bitte des Luxemburger Grafen vorgenommen, der eine zur Verwaltung seiner Besitzungen an der Mittelmosel möglichst nahe gelegene Burg benötigt. Sie ist außerdem der wichtigste strategische Stützpunkt im Südosten seiner Besitzungen. Gleichzeitig ist diese Schenkung ein großer Gunstbeweis des Erzbischofs für ihn. Die Sachsenkaiser waren bemüht, das Herzogtum Lothringen innerlich in das Reich einzufügen und suchten deshalb möglichst alle einflussreichen Ämter mit zuverlässigen Männern zu besetzen. Erzbischof Heinrich von Trier, Vetter von Otto I., und der von Karl dem Großen abstammende Ardennergraf Siegfried waren solche Männer. Schon durch die Erlaubniserteilung, 963 im Tausch mit der Reichsabtei St. Maximin zu Trier das Kastell Lucilinburhuc (kleine Burg) erwerben zu dürfen, hatte sich das Vertrauen des sächsischen Königshauses gegenüber dem Geschlecht der späteren Luxemburger gezeigt. Mit der Schenkung war es ebenso dem Trierer Erzbischofsstuhl verpflichtet. So zeigt die Territorialpolitik das Kräftegleichgewicht zwischen Reichsmacht sowie gräflichen und erzbischöflichen Besitzbestrebungen. Literatur:
Philipp Wey, Graf Siegfried von Luxemburg und der Vertrag von 964 – 1000
Jahre Saarburg, in: Heimatbuch des Kreises Saarburg 1964, S. 5 –
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