2. SAARBURG ERHÄLT STADTRECHTE 1291
| „Rudolf von Gottes Gnaden, König der Römer, jederzeit
Mehrer des Reiches, entbietet allen getreuen Untertanen des heiligen
römischen Reiches seine Gunst und alles Gute. Reifliche Überlegung veranlaßt Uns, solche Bitten Unserer Untertanen, welche deren anerkennenswerte Hingabe und Wichtigkeit des Unserem Throne geleisteten Dienstes dauernd bekunden, tunlichst zu gewähren, dann aber auch um die Betreffenden Uns gegenüber umso willfähriger zu machen. Da nun besonders der ehrwürdige Boemund, Erzbischof von Trier. welcher durch die Aufrichtigkeit seiner Uns und der heiligen römischen Kirche gegenüber überall anerkannten Anhänglichkeit Uns ein lieber fürstlicher Mitbruder ist, untertänigst und inständigst Uns ersucht, Wir möchten allem, was ihm förderlich sein könnte, Uns willfährig erzeigen, so wollen Wir aufgrund seiner ehrerbietigen Bitten, seine Stadt Saarburg Kraft Unserer königlichen Machtvollkommenheit gerne und in vollem Umfange die Freiheit verleihen. Und so gewähren Wir dann diesem Orte jegliche Vergünstigung, mit welcher die römischen Kaiser Unsere Vorgänger glorreichen Angedenkens, feste Plätze zu befreien pflegten, indem Wir diesem Ort und seinen Bürgern sowie allen denen, welche aus irgend einem anderen Orte dorthin verziehen wollen, zugestehen, dass sie sich in aller derjenigen Rechte und Gewohnheiten sowie desjenigen Ansehens zu erfreuen haben, welche unsere übrigen und die Reichsstädte genießen. Und zu dem Ende erteilen Wir dem vorgenannten Erzbischof und seinen
Nachfolgern, denen genannte Stadt im Laufe der Zeit zufallen wird, volle
Freiheit und Gewalt, selbst oder durch einen Stellvertreter gegen
Übeltäter zu erkennen und Vergehen zu ahnden sowie auch andere Akte der
Gerechtigkeit auszuüben, gemäß Recht, Gerechtigkeit und Herkommen. Aus: Fritz Beisel, Geschichte der Stadt Saarburg von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, in: Saarburg. Geschichte einer Stadt, Bd. I, Trier 1991, S. 54 ______________________________________________________ Fragen zum Text:
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Die Rechte, die Saarburg als kurfürstliche Stadt
erhielt, waren das Marktrecht, wobei das Vorhandensein eines Marktes mit
Voraussetzung dafür war, dass Saarburg überhaupt gefreit wurde. Dieser
Markt für Agrar- und Gewerbeprodukte bot für Stadt und Stadtherrn eine
reichen Einnahmequelle: Marktbenutzungsgebühren und Umsatzsteuern zahlten
einheimische und fremde Anbieter; außerdem stand dem Stadtherrn die
Hälfte des Schiffs- und Marktzolls zu. Darüber hinaus besaß er den
Gewässerbann und Fischereirechte in der Leuk. Das Marktangebot wurde mit
der Zeit immer größer, da die Bevölkerung kontinuierlich zunahm, sich
gleichzeitig beruflich spezialisierte und somit auch sozial
differenzierte. Auch fand ein reger Warenaustausch mit dem Umland statt,
die Stadt konnte sich zu einem Mittelzentrum entwickeln. Zum Schutz der
Bürger innerhalb der Stadt durfte sie eine Stadtmauer bauen. Die Bürger
selbst genossen persönliche Freiheit und mussten lediglich Grund-,
Gebäude- und Vermögenssteuern zahlen, im Gegensatz zu den Leibeigenen
und Hörigen des Umlands mit ihren Abgaben und Dienstverpflichtungen.
Gerichtsherr war nicht mehr ein ländlicher oder geistlicher Adeliger,
sondern der bischöfliche Stadtherr, der Rechtssicherheit,
Rechtsgleichheit, eine bessere Verwaltung und auch höhere
Friedensgarantien zusicherte.
Die Verleihung der Stadtrechte an Saarburg durch Kaiser Rudolf von
Habsburg (1273 – 1291) auf Bitten Erzbischofs Boemund I. von Trier (1289
– 1299) gehört einerseits zur Kategorie der Politik der geistlichen und
weltlichen Territorialherren, sich gegenüber der königlichen
Zentralmacht zu behaupten. Auch ist diese Urkunde – zusammen mit den
Stadtrechtsverleihungen an Bernkastel, Mayen, Montabaur, Welschbillig und
Wittlich – als einer der Versuche des Erzbischofs zu bewerten, sein
Kurfürstentum durch befestigte Plätze und wirtschaftliche Zentren zu
sichern. Ein weiteres Ziel war es, den Trierer Landesausbau weiter voran
zu bringen und seine eigene Territorialpolitik zu stärken, hatten doch
dem Erzbischof zu Beginn des 13. Jahrhunderts nur die zwei Römerstädte
– Trier und Koblenz – unterstanden. Dagegen war das übrige Erzstift
kaum in der Lage, wirtschaftliche Eigenkräfte zur Stadtentwicklung
hervorzubringen. Daher sollten mit den Stadtgründungen Möglichkeiten
geschaffen werden, ein Gegengewicht zu den alten Städten aufzubauen und
gleichzeitig auch die Befugnisse der kleinen Lokalfürsten zu beschneiden.
Gleichzeitig machte der kränkelnde Rudolf (+ am 15. Juli 1291) letzte
Anstrengungen, seinem Sohn die Nachfolge durch dieses Entgegenkommen zu
erwerben, was ihm jedoch nicht gelang. |