5. ZUNFTBRIEF DER WEBER VON 1501                                                            

Der Zunftbrief der Saarburger Weberzunft von 1501 ist in einer Abschrift des Jahres 1700 erhalten, die Zunft selbst ist wohl wesentlich älter. Die Woll- und Leineweberei baute auf Schafzucht und Flachsanbau im Saarburger Umland auf. Der Zunftbrief enthält Klauseln zur Wahl des Zunftmeisters am Aschermittwoch, zum Tod eines Zunftbruders oder eines seiner Familienmitglieder, zu den Rechten und Voraussetzungen, Mitglied zu werden, und zu den Eintrittszahlungen, handwerklichen Festlegungen und Strafen bei Übertretungen sowie der innerzünftigen Rechtsprechung:

 „Wir, Zunftmeister und alle Brüder der Weberzunft zu Saarburg haben überlegt, erdacht und Betrachtungen angestellt darüber, dass von der Tugend der Gerechtigkeit, des Friedens und der Einigkeit zahlreiche andere Tugenden ausgehen, erwachsen und auf ihr Umfeld einwirken.

So wie der allmächtige Gott und Herr des Himmels gepriesen, gewürdigt und geehrt wird und die weltlichen Güter vermehrt werden, wie auch in der Natur von der Wurzel ausgehend der Erde ein Stamm entsprießt und von dem Stamm Zweige ausgehen, die bald fruchtbar Blätter kriegen, so sollen auch von der Wurzel des Friedens die Zweige der Tugend erwachsen und es sollen nicht, wie es sich so viel und oft ereignet und ereignet hat, aus Unfrieden, Ungnade und Streit große Herrschaften und Gewalten vergehen, zerstört und zu nichts werden.

Um solchen Unfrieden zu vermeiden und die Einigkeit auf Ewig zu bewahren, haben (wir) gütlich, einstimmig und einträchtig auf gemeinsamen Rat und eigenen Willen und Wunsch, ungezwungen und mit einer guten Meinung einen gemeinsamen Bund geschlossen und sind einig geworden darüber, dies für uns und unsere Nachkommen einzuhalten, es ohne Regiment und Ordnung (Hierarchie) zu stellen, zu handhaben, wie sich ein Zunftmeister verhalten soll und wie die Brüder aufgenommen werden. Und man soll es so halten und richten, so dass die Weberzunft nach altem Herkommen und Gewohnheit, die seit vielen Jahren und lange Zeit besteht und geübt wird, und nach Ausweis vieler darüber ausgestellter Urkunden unvergänglich, ewig und fortdauernd besteht.

 Dieser Brief ist aufgesetzt worden mit Willen und Wissen (Textlücke) Junker Wilhelm von Schönburg, Amtmann zu Saarburg, und mit Rat, Wissen und Zustimmung der Schöffen des Hochgerichts zu Saarburg, namentlich Peter Becker, Hans Metzler, Hans Eysses, Johannes Panel und Peter Steinmetz, die Regeln der vorgenannten Zunft so zu befolgen, wie es nachfolgend geschrieben steht.

 1.      Der Zunftmeister der genannten Zunft soll jedes Jahr am Tag nach Aschermittwoch Rechenschaft ablegen über sämtliche Einnahmen und Abgaben vor den Brüdern der genannten Weberzunft. Ferner soll sich ein jeder Bruder daran halten, an Aschermittwoch zu rechter Tageszeit, und zwar um neun Uhr, zusammenzukommen und noch vor dem Frühstück einstimmig einen Zunftmeister zu wählen; diesem sollen zwei aus der Zunft zur Seite gestellt werden und ein weiterer Bruder als Bote; auch soll der alte Zunftmeister des vorherigen Jahres dem neuen die Kasse mit den Urkunden und dem Buch, so wie es zum Amt gehört, übergeben und liefern.

 2.      Wenn ein Bruder, seine Frau, seine Kinder oder auch sein Hausgesinde stirbt, sollen die Brüder gemeinsam den Toten bestatten, und welcher Bruder dies vorsätzlich und unentschuldigt nicht tut, verfällt einer Strafe von einem Sester Wein an die Brüder. Ferner, wenn jemand Zunftbruder wird, soll er der Zunft sieben Gulden zahlen - eine Hälfte davon sofort, die andere Hälfte binnen zweier Jahre -, dem Amtmann fünf Schilling, den Schöffen einen Sester Wein, dem Zunftmeister einen Sester und dem Zunftdiener einen halben Sester Wein. Ferner, unserer Zunftbrüder Kinder, Söhne und Töchter, die es (das Amt) begehren, können es mit zwei Gulden kaufen; sie zahlen dem Amtmann fünf Schilling, den Schöffen einen Sester Wein, dem Meister einen halben Sester und dem Diener einen viertel Sester. Ferner, der Meister soll die Befugnis haben, zusammen mit zwei Brüdern einem Bruder das Amt um einen halben Sester Wein anzudienen. Ferner, es soll ein jeder Bruder bei Treue und Ehr und Pflicht geloben, die Zunft mit ihrer Tradition und Gewohnheit zu bewahren, und helfen, sie zum besten zu vermehren. Ferner, wer sich untersteht, wegen kleinerer Auseinandersetzungen die Zunft von den Zunftbrüdern zu scheiden, und wer ohne Erlaubnis mit den Zünften und Zunftmeistern des Fleckens Saarburg vor Gericht streitet, der soll der Zunft in Höhe eines Gulden bußfällig werden. Ferner, wenn es geschieht, dass ein Bruder stirbt, so soll es seiner Frau erlaubt sein, seine Zunftmitgliedschaft weiterzuführen, bis sie sich verändert. Ferner, wenn ein Bruder einen Lehrling einstellt, so soll der Lehrling der Zunft ein Pfund Wachs zahlen. Ferner, wann immer der Zunftmeister von Amts wegen eine Zusammenkunft anordnet, soll derjenige Bruder, der sich zur gebotenen Stunde nicht einfindet, den Brüdern einen Sester Wein und der Zunft ein halbes Pfund Wachs Strafe zahlen. Ferner, immer wenn die Brüder sich nach einem Aufgebot zusammenfinden, sollen sie höflich und züchtig sein mit Worten und Taten, und wer einen anderen verflucht, beschimpft oder der Lüge zeiht und wenn der Meister oder der Diener ihm gebietet zu schweigen und er diesen Spruch bricht, so soll er den Zunftbrüdern über einen Sester Wein bußfällig werden. Auch ist zu wissen, dass wir aus der Zunft jedes Jahr zu Weihnachten dem „Kirchenmeister“ von Sankt Laurentius zu Saarburg 25 Weißpfennige zur Beleuchtung und zur besseren Ausstattung des Gottesdienstes übergeben.

 3.      Ferner, es soll kein Bruder ein gekämmtes Werk unter acht Bindungen und ein geschlagenes Werk unter sieben Bindungen und zwei Strängen anfertigen, und so viel er darunter liegt, so viel soll er mit je einem Schilling ablösen. Ferner, es soll kein Bruder verfärbte Wolle kaufen, die nicht der Beschau durch mindestens zwei Zunftbrüder unterzogen worden ist; wer sich nicht daran hält, der soll der Zunft einen halben Gulden Strafe zahlen. Ferner, wenn es geschieht, dass ein Bruder Wolle kauft, und einer seiner Mitbrüder davon Kenntnis erhält und einen Teil der Wolle haben möchte und derer auch bedarf, soll der Käufer demselben Bruder den Kauf der Hälfte dieser Wolle ermöglichen, bei Strafe von zwei Sestern Wein. Ferner, es soll kein Bruder Tuch herstellen, das nicht ohne die Litzen mindestens zwei Ellen breit ist; wer sich nicht daran hält, der soll einen Sester Wein und ein halbes Pfund Wachs geben. Ferner, es soll kein Bruder sein fertiges Tuch aufhängen (zum Verkauf anbieten), wenn es nicht vorher von zwei dafür bestimmten Brüdern der Beschau unterzogen worden ist, bei Strafe zweier Sester Wein. Ferner, so viele Schadstellen ein Tuch hat, so viele Sester Wein soll derselbe Bruder, der es hergestellt hat, den Brüdern als Strafe zahlen. Ferner, es soll niemand von den Brüdern in Gegenwart aller Brüder publik machen, wenn einer bußfällig geworden ist; wer solches dennoch tut, der soll zweimal soviel zahlen wie derjenige, der bestraft werden sollte. Ferner, es soll kein Bruder dörfliches Lohnwerk nachfragen, Arbeiten betreffend, die er auch vor Ort erledigen könnte, und wodurch er einem anderen schaden könnte, bei Strafe eines halben Gulden und eines Pfundes Wachs. Auch soll bei Strafe eines Gulden ein Bruder nicht weniger als einen Weißpfennig pro Elle Tuches nehmen, das in dörflichem Lohnwerk hergestellt worden ist.

 4.      Die vorgenannten Punkte und Artikel sind verfaßt, verkündet und besprochen worden am Aschermittwoch, als die Brüder zusammengekommen waren und ihren Zunftmeister gewählt haben mit Namen Michael an dem Born und ihm zwei Brüder mit Namen Peter Portz und Peter von Nittel zur Seite gestellt haben. 

Und die Brüder haben sie allesamt bejaht und haben sich darauf verpflichtet und haben daraufhin ihren Zunftmeister und die Beigeordneten gebeten, all das vorgenannte, das in ihren Amtsbereich fällt, vorzunehmen; auch unsern Junker, den Amtsmann, mitsamt den Schöffen des Hochgerichts zu Saarburg, wie oben genannt, zu bitten, dass der genannte Junker Willhelm, Amtmann, sein eigenes Siegel, und auch die Gerichtsschöffen der Stadt Saarburg ihr Siegel an diesen Brief hängen, um uns und unsere Nachkommen mit diesem Brief zu bezeugen, wie es oben geschrieben steht. Das bekunden wir, Michael, Peter Portz und Peter von Nittel, Zunftmeister und Beigeordnete, die wir aufgrund der Bitten der Brüder der Zunft dies gern getan haben, und die wir unseren Junker, den Amtmann, mitsamt der Stadtschöffen durch wiederholte Bitten dazu gebracht haben, dass Junker Wilhelm, der Amtmann, sein eigenes Siegel mitsamt dem Siegel der Stadt Saarburg, präsentiert durch die Schöffen, an diesen Brief gehängt haben.

 Das bestätige ich, Wilhelm Hombrecht von Schönburg, Amtmann zu Saarburg, mit meinem eigenen Siegel.

 Und wir, die genannten Schöffen des Hochgerichts der Stadt Saarburg, haben das Siegel auf Bitten der genannten Michael am Born, Zunftmeister, und Peter Portz, auch Peter von Nittel, Beigeordnete, zur Bestätigung angehängt.

 Dies ist gegeben, als man zählte nach Christi Geburt das Jahr 1501 nach dem Trierer Stil (d. h. Jahresanfang am 25. März, sog. Annuntiationsstil), am Festtag des hl. Petrus, den man auf Latein „Cathedra Petri“ nennt.

 Platz des Siegels ..., so abgegangen

Platz des Siegels der Stadt, so noch erhalten

Gegeben als kollationierte (d. h. wortwörtlich verglichene) Abschrift und ... Originalwortlaut ..., auf Pergament geschrieben, ... durch ..., Notar ... !“

Quelle: StA Saarburg
Literatur: Peter Oster, Die Saarburger Weberzunft, in: Heimatbuch des Kreises Saarburg 1952, hrsg. vom Landrat des Kreises Saarburg, S. 32 f 

 Fragen zum Text:

  1. Welche Bedeutung haben Zünfte und insbesondere die Weberzunft in den Städten ? 

  2.  Stelle die Rechte und Pflichten der Zunftmitglieder der Saarburger Weberzunft zusammen. Unterscheide dabei zwischen sozialen, religiösen und wirtschaftlichen Rechten und Pflichten. Wie werden sie jeweils begründet ?

  3.  Erkläre, warum jemand, der neu in die Weberzunft aufgenommen werden möchte, einen wesentlich höheren Beitrag zahlen muss als jemand, dessen Vater schon Mitglied war.

  4. Frauen und Töchter von verstorbenen Zunftbrüdern können die Mitgliedschaft in der Zunft erwerben – könnte man hier von einer frühen Form der Emanzipation sprechen? Begründe!