7. SCHÖFFENWEISTUM FREUDENBURG 1595

Ruine
der Freudenburg mit Pfarrkirche (um 1925)
Bildnachweis: Illustrierter Führer durch Saarburg
(Bez.Trier) und Umgebung, Saarburg (1925), S.
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„In Gottes Namen. Amen. Kund und zu wissen sei jedem, der dies gegenwärtige Schöffenweistum ansehen, lesen oder hören wird, dass in dem Jahr unseres Herrn und Seligmachers Jesu Christi tausend fünfhundert neunzig und fünf am Montag, dem dreißigsten Januar ungefähr um zehn Uhr vormittags, erschienen sind mit öffentlichem Notar und den glaubwürdigen Zeugen im Schloss Freudenburg persönlich der edle und ehrenhafte Claude Musiell von Besingen, Herr zu Thorn und Amtmann daselbst zu Freudenburg, im Namen des in Gottvater und Herrn hochwürdigen Herrn Reinhard, Abt und Prälat des kaiserlichen Gotteshauses (Benediktinerabtei) St. Maximin zu Trier, als Herr zu Freudenburg, auch als Maximinischer Hochgerichtsmeyer, Buben Peter und Mattheis Johann, alle von Freudenburg, Huprechts Theis von Weiten, Meyers Peter von Castell, Hemmers Theis von Perdenbach und Philipsen Peter im Hamm, alle Hochgerichtsschöffen der Herrschaft Freudenburg, und dann Hans Huprecht von Marschell, Hochgerichtsbote daselbst.(...)
Demnach haben Schöffen und Gericht dem hochwürdigen Herrn Abt alle Rechte und Gerechtigkeiten des Hochgerichts aus ihrem Schöffenbuch, weil sie es nicht auswendig zu erklären und zu weisen wussten, datiert auf Donnerstag nach der Konversion des hl. Paulus 1440 nach Gewohnheit des Stifts Trier (d. h. Trierer Stil, Annuntiationsstil, also das Jahr 1441), verlesen lassen und seinen Inhalt bestätigt, ratifiziert und bekräftigt wie folgt:
Anfänglich und erstens weisen und erkennen die Schöffen: Wenn ein oder mehrere Schöffen ihr Amt nicht mehr wahrnehmen könnten, dann sei es Gewohnheit und altes Herkommen, dass sie zwei oder drei ehrbare Männer in ihrem Sinne nennen; alsdann gehen sie zu ihrem Herren in Freudenburg oder bei dessen Abwesenheit zu dem Burggrafen des oben genannten Herren, mit dem sie sich beraten, welcher unter ihnen dem Herrn und der ganzen Gemeinde am nützlichsten sei, diesen sollte man dann wählen, dem Hochgericht zu Freudenburg anzugehören.
Was jährliche Fronen und Dienste anbelangt, so weisen und erkennen sie: Die Leute, die im Bereich des Hochgerichts und innerhalb der Freudenburger Freiheit und Mauern wohnen und über Pferd und Wagen verfügen, müssen zu allen vier hohen kirchlichen Feiertagen jeder ein Fuder Holz vor die Burg führen (Spanndienste). Dafür, dass jeder von ihnen ehrlich und dem Herrn nützlich ist, muss der Herr diesen Leuten zwei Mutzen Brot, wie man sie in der Burg zu backen pflegt, für jeden Wagen geben.
Es erkennen weiter die Schöffen, dass die Ausbürger, die bei der Herrenwiese bei der Mühle wohnen, diese mähen müssen, wenn es dazu Zeit ist. Der Herr schuldet ihnen dafür eine Suppe und einen Sester Wein. Die Leute von Leuken, die am Leukbach wohnen, müssen das Gras zeden (wenden); die Leute in der Freiheit zu Freudenburg sind schuldig, das Heu davon zu hausten (aufrichten). Gleichermaßen müssen die Leute von Castell und im Hamm dasselbe heimfahren. Außerdem liegt noch eine Wiese unten an der Burg, der gehört auch dem Herrn. Die Leute von Freudenburg müssen sie mähen, zeden, hausten und dem Herrn heimführen.
Wenn es nun notwendig wird, etwas am Schloss, den Brücken oder an Bauten, die zum Schloss gehören, zu bauen, so weisen und erkennen sie, dass der Herr seine Zimmerleute in den Wald schicken solle, die das dazu notwendige Holz fällen müssen. Der Herr soll diese beköstigen und entlohnen, danach müssen die Freudenburger dieses Holz nach Freudenburg bringen. (...)
Das gleiche gilt, wenn besonders an der Stadtmauer, den Türmen, Pforten oder sonstwo an dem Städtchen etwas zu reparieren, zu bauen oder zu befestigen ist. Die Schöffen erkennen, dass sie und die Einwohner sich samt den ganzen Hochgerichtsuntertanen in Freudenburg das zu tun verpflichtet haben. Es erkennen und weisen die Schöffen, dass die Einwohner zu Freudenburg die Brücke bei der Kirche, weil sie beim Kirchgang darüber gehen müssen, zur Hälfte instand halten sollen, und der Herr die andere Hälfte.
Zum Haus und Schloss zu Freudenburg gehört eine jährliche Weinrente. Wenn der Herr zu Freudenburg diesen Wein irgendwo kaufen will – weil das Schloß ja keine Weingüter hat – , so weisen und erkennen die Schöffen und das Gericht, dass die Einwohner zu Freudenburg diesen Wein, den der Herr im Schloss trinken will, auf eine Meile Weges, also etwa aus Remich, Saarburg oder an einem anderen Ort, herbeiführen müssen.
Wenn es einmal geschehen sollte — was Gott verhüte — , dass der Herr von Freudenburg eine Fehde hätte, dann sollen zwei Bürger auf dem Turm, auch zwei auf jeder Seite der Stadtmauer Wache stehen, und von den Schöffen sollen zwei die Scharwacht halten (d.h. eine Schar befehligen). Außerdem müssen von Castel und von Hamm jede Nacht zwei Leute auf dem Platz vor der Burg Wache halten, um die anderen Wächter alarmieren zu können.
Sie weisen auch, dass jeder Einwohner der Freiheit (der Stadt) Freudenburg, mit Ausnahme der Schöffen, jährlich zu den Festtagen des hl. Johannes-des-Täufers im Sommer und in der Weihnachtswoche für jedes Haus einen Herdzins von zwei Trierischen Hellern geben muss. Die Ausbürger (die keine Stadtbürger sind), mit Ausnahme der Schöffen, müssen alle und jedes Jahr und zur gleichen Zeit wie die vorigen, d.h. an jedem der beiden St. Johanns Tage, als festgesetzten Herdzins ein Huhn, dazu aber auch am Tag vor der Fastenzeit jeder ein Huhn, macht zusammen drei Hühner und zweimal den Herdzins, abliefern. (...)[1]
Den Wald, der dem Schloß gegenüber liegt, weisen und erkennen die Schöffen als Besitz des Herren aus. Wenn jemand ohne Erlaubnis des Herren oder seiner Amtleute dort Holz schlägt, den weisen sie in des Herren Hand (d.h. in seine Gerichtsbarkeit); die Äcker in allen Wäldern sind Allmende. (...)
Wenn innerhalb des Hochgerichtsbezirks über Gewalt oder Hilfegeschrei geklagt, über blutige Wunden oder sonstige Übertretungen verhandelt würde, hat der Herr zu Freudenburg das Recht, nach seinem Wohlgefallen die Strafe festzusetzen nach Brauch und Beschaffenheit der Sache und Klage.
Sie erkennen ferner, wenn sich etliche untereinander schlagen oder angegriffen würden und einer, bevor es zum Schuldspruch käme, Schutz suchend in ihr Gericht oder in eines der Schöffenhäuser käme, so sei er dort frei sechs Wochen und drei Tage. In der Zeit muss der Schöffe dem Menschen nach all seinen Kräften helfen.
Den Heuzehnten von den Höfen führen die von Freudenburg auch zum Herrensitz heim, wie das bisher altes Herkommen und Brauch ist. Die Schöffen weisen und erkennen, dass dem Herrn zu Freudenburg vom kleinen Zehnten zwei Drittel und dem Pfarrer am Ort ein Drittel zusteht. (...)
Weiter
haben Meyer, Schöffen und Gericht dem Herrn von Freudenburg gewiesen und
erkannt die Bannmühle in Kollesleuken, in der alle Hochgerichtsuntertanen, mit
Ausnahme derer von Taben und Rodt, welche eine eigene Mühle haben, mahlen
lassen müssen; wer dagegen verstößt, muss dem Herrn zehn Kreuzer zahlen und
dem Müller seinen Malter (d.h. das rechtswidrig gemahlene Mehl) überlassen. Es sei denn, dass
sie keine andere Wahl gehabt hätten, das müssten sie dann beweisen. (...) “
StA
Trier, ARCHIVIUM MAXIMINIANUM, HS 1644/376, S. 41 ff.
[1]
Im 18. Jahrhundert
zahlte man 6 Rauchpfennige pro Jahr, während anstelle jedes Huhns 4 alb.
abgeliefert werden mussten.
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Im Jahre 1589 hatte die Abtei St. Maximin zu Trier die Burggrafschaft und Stadt (seit 1346) Freudenburg von Graf Heinrich von Sayn gekauft. Wie schon die vorigen Besitzer hielt das Kloster zunächst am Schöffenweistum von 1441 fest. Man übernahm die Weisung am 30.01.1595 einfach in ein neues Schöffenweistum. Weistümer sind schriftliche Fixierungen der an einem Gerichtstag (Jahrgeding) mündlich ergangenen Rechtsweisungen, in der die wechselweise wirkenden Rechte und Pflichten des Gerichtsherrn und der Untertanen festgehalten wurden. Beim Jahrgeding war die gesamte Gemeinde anwesend, und jeder war verpflichtet, die ihm bekannt gewordenen strafbaren Taten anzuzeigen. Ferner gab es auch bei den Jahrgedingen die Möglichkeit für die Untertanen, etwaige Klagen zu erheben und Missstände anzuprangern. Hier wurden auch strittige Rechtsfragen des zivilen Rechts durch die Schöffen durch Rechtsweisung der Schöffen entschieden. Manchmal schließt sich auch eine Beschreibung des Gerichtsbezirks und seiner Grenzen an, für den dieses Weistum Gültigkeit hat. Der Abt von St. Maximin war als Grund- und Hochgerichtsherr zu Freudenburg zur Abhaltung dieser Gerichtstage verpflichtet, die Freudenburger, Kasteller und Hammer mussten an ihnen teilnehmen. Für unentschuldigtes Fernbleiben wurden Strafen angesetzt. Die Aufgaben der Schöffen lagen nicht in erster Linie in der Entscheidung von Streitfällen, sondern von Fragen, die Eigen und Erbe und die Hofbräuche innerhalb des Bann- und Gerichtsbezirkes betrafen, insbesondere die Nachfolge in den einzelnen Erbschaften, Übertragung einzelner Güter, Höhe und Termin der Abgaben. Ein weiterer wichtiger Punkt, der im Weistum angesprochen wurde, waren die Rechte an den Wäldern. Es gab zum einen den Herrenwald, der dem Herrn gehörte und in dem dieser auch die Aufsicht hatte. Zum anderen hatten die Freudenburger auch eigene Wälder, in denen ein Zender das Einschlagen der Bäume überwachte. Wurden Bäume ohne Erlaubnis gefällt, konnten entweder der Herr oder die Gemeinde eine Strafe festsetzen. |
Literatur: Dirk S. Lennartz, "Veste Freudenburg, Burg und Stadt ...", in: 650 Jahre Stadtrechte Freudenburg 1346 — 1996, Trier 1996, S. 38 und S. 41; Günter Heidt/Dirk S. Lennartz, Fast vergessene Zeugen. Juden in Freudenburg und im Saar-Mosel-Raum 1321 - 1943, Trier/Freudenburg 2000, S. 52 f
Fragen zur Quelle:
1. Welche Personen bzw. Personengruppen werden in dem Schöffenweistum genannt ? Ordne sie nach sozialem Rang in ein Schaubild der mittelalterlichen ländlichen Gesellschaft ein.
2. Stelle die Rechte und Pflichten dieser Personen bzw. Personengruppen einander gegenüber.
3. Der Ort Freudenburg wird seit 1346 als Stadt bezeichnet: Vergleiche die Rechte der Freudenburger mit denen der Saarburger (s. Nr. 2 Stadtrechte Saarburgs von 1291).
4. Wieso fasst die Bezeichnung „Ackerbürger” am ehesten die juristische und tatsächliche Stellung der Freudenburger zusammen ?
5. Im Jahre 2002 feiert Freudenburg 950 Jahre der urkundlichen Erwähnung eines Hofes namens „Usme/Ossima“, der auf Freudenburger Gebiet lag. Entwirf zu diesem Anlass eine Führung durch den Ort zu den Wahrzeichen Burg, Kirche, Synagogenplatz, Tor, Marktplatz, jüdischer Friedhof.