10. Jüdischer Heiratsvertrag 1748                                          

 Heiratsvertrag zwischen zwei jungen Leuten aus der jüdischen Oberschicht ihrer jeweiligen Städte, Samuel Lambert Wimphen aus Metz stammend, und Keilgen Levy aus Trier:

"Vor uns, dem kaiserlichen Notar und den unterzeichnenden Zeugen wohnhaft in Saarburg, erschienen persönlich der Jude Samuel Wimphen, Sohn des verstorbenen Lambert Wimphen, geboren in Metz, z. Z wohnhaft in Metzerwies, einerseits, und die Jüdin Keilgen, Tochter des verstorbenen Aron Philipp Levy, geboren und seitdem in Trier lebend begleitet von ihrem Onkel und Vormund Doctoris medicinae Abraham Philipp Levy aus Trier, Jude, andererseits.

 Beide Parteien erklärten übereingekommen zu sein, unter den folgenden Bedingungen die Ehe eingehen zu wollen:

 In den nächsten Tagen werden Samuel und Keilgen nach den Gesetzen von Moses und Israel und nach dem Brauch und der Zeremonie, die unter den Juden üblich ist, heiraten. Zu diesem Zweck hat Herr Abraham Levy, Onkel und Vormund der zukünftigen Ehefrau, für die Mitgift seiner Nichte, zu deren Vorteil die bevorstehende Heirat eingerichtet wird, die Summe von 1567 französische Livres und zehn Sol zusammengestellt. Ein Teil dieser Summe kommt aus der erblichen Nachfolge ihres verstorbenen Vaters Aron einerseits, so wie sie auch ihr Bruder David geerbt hat, der seinem Erbteil zugestimmt hat, so dass beide Summen sich zusammen auf 300 Reichstaler belaufen. Da er die besagte Summe für nicht genügend für das Paar ansah, hat der Vormund Herr Doctor medicinae Abraham Levy aus seinen eigenen Mitteln und Geldern die Summe von 1567 französischen Livres und 10 Sols als Mitgift persönlich dem Samuel, zukünftigen Ehemann der Keilgen, in Gegenwart der Zeugen und des unterschriebenen Notars gezählt und in die Hand gegeben Ebenso hat auch Herr Abraham Levy, Onkel und Vormund, der zukünftigen Braut Kleidung, Wäsche und alles, was den Frauen zusteht, übergeben, worüber eine Quittung ausgestellt wurde. Unter der Bedingung, dass die zukünftigen Eheleute auf den Oberhang des Erbteils von ihrem Vater und Schwiegervater, dem verstorbenen Aron, und auf Ansprüche gegenüber ihrem Bruder David und dem Herrn Vormund Abraham Levy für sich und ihre Erben verzichten, dass sie weder an den einen noch an den anderen irgendwelche Ansprüche stellen werden.

 Die Parteien sind außerdem übereingekommen, dass sich, wenn die zukünftige Ehefrau als erste ohne Kinder während des ersten Jahres dieser zukünftigen Ehe sterben sollte, der zukünftige Ehemann Samuel verpflichtet und gehalten ist, ihren Erben die Summe von 1567 Livres und 10 Sols, die die Mitgift ausgemacht haben, ebenso die Kleider, die anderen Effekten und das, was den Frauen zusteht, zurückzugeben und zu bezahlen.

 Wenn die zukünftige Ehefrau als erste ohne Kinder während des zweiten Jahres dieser zukünftigen Ehe sterben sollte, ist der zukünftige Ehemann Samuel verpflichtet und gehalten, ihren Erben die Summe von 783 Livres und 15 Sols, die die Hälfte der 1567 Livres und 10 Sols ausmachen, ebenso die Kleider, die anderen Effekten und das, was den Frauen zusteht, zurückzugeben und zu bezahlen.

 Wenn die zukünftige Ehefrau als erste während des dritten Jahres dieser zukünftigen Ehe sterben sollte, ob nun Kinder da sind oder nicht, braucht der zukünftige Ehemann Samuel nichts zurückzugeben und alles wird ihm gehören.

 Wenn im Gegenteil aber der zukünftige Ehemann als erster ohne Kinder von seiner zukünftigen Ehefrau während des ersten Jahres dieser zukünftigen Ehe sterben sollte, so sind die Erben des zukünftigen Ehemanns verpflichtet und gehalten, der zukünftigen Ehefrau die Summe von 1567 Livres und 10 Sols, die Kleider, die anderen Effekten und das, was den Frauen zusteht, zurückzugeben.

 Wenn der zukünftige Ehemann als erster ohne Kinder von seiner zukünftigen Ehefrau während des zweiten Jahres dieser zukünftigen Ehe sterben sollte, so sind die Erben des zukünftigen Ehemanns verpflichtet und gehalten, der zukünftigen Ehefrau die Summe von 1567 Livres und 10 Sols einerseits sowie die Summe von 391 Livres 17einhalb Sols, die die Hälfte der erweiterten Mitgift ausmachen, sowie die Kleider, die anderen Effekten und das, was den Frauen zusteht, zurückzugeben und zu bezahlen.

 Wenn der zukünftige Ehemann als erster, ob nun Kinder da sind oder nicht, während des dritten Jahres dieser zukünftigen Ehe sterben sollte, so sind die Erben des zukünftigen Ehemanns verpflichtet und gehalten, der zukünftigen Ehefrau die Summe von 1567 Livres und 10 Sols, die Kleider, die anderen Effekten und das, was den Frauen zusteht, zurückzugeben und zu bezahlen. Außerdem müssen sie ihr die Summe von 783 Livres 15 Sols auszahlen, die der zukünftige Ehemann vor den Anwesenden als Erhöhung der Mitgift festgelegt hat, so dass die Summe beider 2351 Livres und 5 Sols macht.

 Wohl verstanden, wenn eine der beiden Ehegatten sterben sollte und Kinder aus dieser Ehe hinterlässt, sei es im ersten oder einem der folgenden Jahre der Ehe, soll es so geregelt werden, als ob eine der beiden Ehegatten im dritten Jahr stirbt, so wie es in den Artikeln des dritten Jahres für jeden geregelt worden ist.

 Dieser Vertrag folgt vollständig dem hebräischen Akt, der zwischen den Parteien am dritten Tag des Monats Tewet im Jahr 5509 nach jüdischer Zählung und Brauch geschlossen wurde, was dem Datum des heutigen Tages, dem 24. Dezember 1748, entspricht."

  Eine wissenschaftliche Darstellung informiert über den Sachverhalt wie folgt:

Abgeschlossen wurde dieser Ehevertrag ”in französischer Sprache, denn der deutschen wissen wir uns nicht zu bedienen", in Saarburg am 24.12.1748 vor "J.H. Hocquay, kaiserlichem Notar, Stadt- und kurfürstlichem Hochgerichts­-Schöffe und Schreiber". Das war wohl auch der Grund, weshalb der Vertrag nicht in Trier geschlossen wurde, weil hier in Saarburg der französisch-stämmige Notar Hocquay allein in der Lage war, einen solchen auf Französisch abzufassen. (...) Samuel Lambert Wimphen und Keilgen Levy stammen im übrigen aus bedeutenden Familien ihrer Geburtsstädte; der Onkel der jungen Frau Dr. Abraham Philipp Levy aus Trier hatte 1727 als erster Jude an der reformierten Universität Duisburg den Doktorgrad erworben. In Trier war er, wie schon sein Vater Philipp Levy (Y 1725), der in Leiden promoviert hatte, auch als Arzt des städtischen Waisenhauses sowie in der kostenlosen ärztlichen Versorgung von armen Leuten tätig; er errang darüber hinaus einen bedeutenden Ruf als Mediziner der Stadt und Leibarzt des Kurfürsten. Bis zu seinem Tod 1785 war er lange Jahre Vorsteher der Judenschaft im Obererzstift. In der Metzer Familie Wimphen – das sind Levy aus dem deutschen Wimpfen – gibt es Bankiers und reiche Händler; der Bräutigam hat unter seinen Vorfahren den Notablen und Bankier Bernard Levy Mayence/Mainz und Cerf Levy-Wimphen, sehr bekannt durchs seine Heirat mit Glückeln von Hameln und seinen aufsehenerregenden Konkurs Anfang des 18. Jahrhunderts.

Lit.:G. Heidt/D.S. Lennartz: "Fast vergessene Zeugen. Juden in Freudenburg und im Saar-Mosel-Gebiet 1321-1943". Freudenburg-Trier 2000, S. 98ff.
Hinweis zum Bild: Der Kupferstich zeigt eine antikisierende jüdische Hochzeitszeremonie. Ein Abdruck des Bildes findet sich in: G. Heidt/D.S. Lennartz: "Fast vergessene Zeugen..“, ebda S. 101.

Aufgaben zur Bearbeitung:

  1. Bestimme die näheren Umstände dieser Eheschließung (Personen, Familien, Ort, Herkunft, Berufe)!

  2.  Welche Einzelheiten sind im Ehevertrag geregelt? Erstelle wenigstens drei unterschiedliche Berechnungen!

  3.  Welche Motive zur Eheschließung stehen im Vordergrund? Vergleiche mit heutigen Eheschließungen!

  4.  Von welchen Gesichtspunkten ist das Verhalten des Onkels, bzw. Vormunds bestimmt?

  5.  Handelt es sich um eine ”typisch” jüdische, also religiöse, oder eher typisch bürgerliche, also gesellschaftlich bedingte Hochzeit?

  6.  Welche Erbregelungen gelten heute? Könnte ein vergleichbarer Vertrag bei Eheschließungen heute abgeschlossen werden?