11. Vormärz in der Saarburger Region                                                  

Als durch ”Kabinettsordre” vom 3. Juli 1836 bekannt wurde, dass König Friedrich Wilhelm III. von Preußen seinen Sohn in die Rheinprovinz schicke, baten Landleute aus dem Regierungsbezirk Trier den Gutsbesitzer Nikolaus Valdenaire aus Saarburg (1772 - 1849), ihnen eine Petition zu verfassen, um sie dem Kronprinzen zu überreichen [1].

 Daraufhin entstand die folgende Bittschrift:

 ”Da wir unterschriebenen Einwohner des Kreises...[2] , Regierungsbezirk Trier, unterrichtet, dass unser guter König zu uns Seine Königliche Hoheit den Kronprinzen sendet, um unsere Lage zu beherzigen, und um Seiner königlichen Hoheit die Mühe zu ersparen, die Klagen vieler einzelner anzuhören, beauftragten wir hiermit unseren Landtagsabgeordneten Herrn ...[3] , Seiner Königlichen Hoheit, des besten Königs Sohn, dem Kronprinzen von Preußen, untertänigst anzutragen, daß:..

1. Wenn wir unsere überflüssigen Produkte, besonders an Vieh und Wein, nicht absetzen können, uns unmöglich ist, die in allen Verhältnissen zu hohen Steuern zu bezahlen, weswegen eine bedeutende Verminderung derselben gewünscht wird, da wir sonst Hab’ und Gut den Steuerboten belassen, wie Anlage beweiset; (Zahlungsbefehl über 1 Tlr. , 25 Sg. und 5 Pfennige[4])

2. Daß Seine Königliche Hoheit nicht von unserer Lage urteilen möge, nach den Demonstrationen von unzähligen gar zu hoch besoldeten Angestellten, Pensionierten, Diätaren, Zivil und Militär, Rentner und Gewerbetreibenden welche in den Städten in einem Luxus von unseren so im Preise gefallenen Produkten wohlfeil leben, was hingegen in der armen Hütte des verschuldeten Landmannes nicht gefunden wird und für ihn ein empörender Kontrast ist. Wo früher 27 angestellte mit 29 000 Talern jetzt 63 Beamte mit 105 000 Talern besoldet .

3. Daß unsere Kommunalbeamten direkt durch die Gemeinden, wie früher gewählt werden mögen.

4. Daß die Zollanmeldungsbüros nicht stundenlang während des Tages geschlossen, sondern jede Stunde offenbleiben, damit der Landmann, der einige Minuten unverschuldet sich verspätet, nicht fünf bis sechs Stunden ja die ganze Nacht auf der Straße erkalten muß, da doch der Beamte stets für das Volk bereit sein soll und muß.

5. Daß, was zufolge § 12 des Gesetzes von 28. April 1828, erneuert durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung vom 22. August letzthin unter Strafe verboten worden, 2 Fuß vom Grabenrande zu ackern, bei durchführenden Straßen gehoben und den Eigentümern erlaubt werde, ihr sämtliches Land bis an den Chausseegraben pflügen zu können, damit dasselbe nicht von den Wegewärtern den Eigentümern geraubt werde.”

Um die Anzahl der Unterzeichner zu mehren und der Petition dadurch mehr Gewicht zu verleihen, schickte Valdenaire einen Boten zu den umliegenden Bauern und erreichte damit, dass etwa 160 Bauern und Winzer unterschrieben.[5] Sie wurde am 7.10.1836 dem Kronprinzen, der bei dem Freiherrn von Warsberg in Saarburg wohnte, von Nikolaus Valdenaire persönlich übergeben.

Daraufhin wurde von Dezember desselben bis Februar des darauffolgenden Jahres gegen Nikolaus Valdenaire ermittelt. In Koblenzer Oberpräsidium der Rheinprovinz wurde eine Akte angelegt, die sich eigens mit den ”Beschwerden der Einwohner des Kreises Saarburg über zu hohe Besteuerung und über die Verwaltung, in specie die Untersuchung gegen den Gutsbesitzer Valdenaire auf den Roscheider Hof” befasste. Der Oberpräsident stellte fest: die Bittschrift ”enthält einen frechen unehrerbietigen Tadel der Anordnungen im Staat und gab Veranlassung zu Mißvergnügen und Unzufriedenheit der Untertanen gegenüber der Regierung”. Er werde außerdem versuchen eine landesgerichtliche Untersuchung gegen Nikolaus Valdenaire einzuleiten.

So kam es dann, dass Valdenaire am 22.04.1837 in Trier dem Untersuchungsrichter Hack vorgeladen wurde und am 11. September desselben Jahres zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt wurde. In der Berufung wurde er allerdings am 5. Dezember durch den königlichen Appellationsgerichtshof zu Köln von einer Gefängnisstrafe freigesprochen und musste lediglich die Prozesskosten tragen.

In Frankreich begann am 22.02.1848 die dritte Französische Revolution, was in dem grenznahen Saarburger Gebiet sicherlich auch die demokratischen Bestrebungen noch intensivierte. Auch der Saarburger Gemeinderat schien davon nicht unbeeindruckt gewesen zu sein. Am 8. März 1848, zehn Tage bevor in Berlin die Märzrevolution begann, legte der Gemeinderat dem Bürgermeister eine Petition vor, in der im einzelnen gefordert wurde[6]:

  1. Wahre Volksvertretung, mit Beschlußkraft in Gesetzgebung und Steuerrecht

  2. Rede- und Pressefreiheit

  3. Geschworenengerichte für politische und Pressevergehen

  4. Straferlaß bei denen, die sich wegen solcher Vergehen in Untersuchungshaft befinden

  5. Steuersenkung durch Reduktion des stehenden Heeres und der Besoldung höherer Beamten

 Die Petition sandten die Gemeinderäte von ”zahlreichen Bürgern unterschrieben” an den König.

Die Monate März und Mai 1848 waren im Trier – Saarburger Raum besonders von Unruhen gekennzeichnet[7]. Am 1. Mai 1848 wurde Nikolaus Valdenaire zum Wahlmann für die Preußische Nationalversammlung Berlin und die Deutsche Nationalversammlung in Frankfurt gewählt. Eine Woche später, am 8.05.1848, war die Wahl der Abgeordneten für Berlin, weshalb Nikolaus Valdenaire sich hätte im ”Knabenschulhaus in Saarburg” einfinden sollen.

Er war allerdings an diesem Tag bereits auf der Flucht und wurde polizeilich gesucht, da man ihn für die Unruhen in der Stadt verantwortlich machte.

In der Trierischen Zeitung vom 9.05.1848 erschien dann der folgende Steckbrief: [8]

Steckbrief

 

Der hierunter näher bezeichnete Gutsbesitzer Nikolaus Valdenaire, wohnhaft in Saarburg, hat sich der wegen Teilnahme an einem Attentate zum Umsturz der gesetzlichen Ordnung und der Regierung wider ihn eingeleiteten Untersuchung durch die Flucht entzogen. Auf Grund eines von dem hiesigen königlichen Instruktionsrichter unterm 6. d. M. gegen Valdenaire erlassenen Vorführungsbefehls ersuche ich daher Militär- und Zivilbehörden dienstergebenst, auf denselben gefälligst zu vigilieren, ihn im Betretungsfalle zu verhaften und mir vorführen zu lassen.

[es folgt sein ” Signalelement ” ]....

Trier den 8. Mai 1848

Der königliche Oberprokurator

Deuster

Von dem Haftbefehl gegen Nikolaus Valdenaire berichtete die Trierische Zeitung dann am 11.05.1848. Die polizeiliche Verfolgung gegen ihn wurde jedoch am 5. August eingestellt. Valdenaire nahm danach sein Gemeinderatsmandat nicht mehr wahr und zog sich ganz aus der Politik zurück.

Aufgaben zum Text:

  1. Fertige aus den Quellen und dem Text eine Kurzcharakteristik von Nikolaus Valdenaire!

  2. Erstelle aus dem Text eine Datenliste zum Thema "Vormärz in der Saarburger Region” und ordne sie in den historischen Kontext der Ereignisse in Deutschland und besonders in Preußen ein!

  3. Die sozialen und wirtschaftlichen Ursachen der Petition von 1836 werden als "Pauperismus” bezeichnet; suche in ihr Hinweise auf diese Massenarmut der Bauern und Winzer an Saar und Mosel.

  4. Welche Beschwerden hatten die Bauern und Winzer außerdem? Sind diese Beschwerden verständlich?

  5. Zeige auf, wie die preußischen Behörden sich gegenüber der Massenarmut gegenüber verhielten, und beurteile ihr Verhalten.

  6. Vergleiche die soziale, wirtschaftliche und politische Situation an Saar und Mosel im Vormärz mit dem "Weberaufstand” 1844 in Schlesien: Was fällt dir auf?

  7. Verfasse als Zeitgenosse und Sympathisant Valdenaires ein anonymes Flugblatt, in dem du dich zu dem veröffentlichten Steckbrief äußerst!

Literatur: Ralf Ackermann, ”Was könnte helfen?” (Ludwig Gall (1825). Über die Not der Saar- und Moselwinzer im Vormärz und die verschiedenen Hilfsansätze von Karl Marx, Nikolaus Valdenaire und Ludwig Gall, 3. Preis im Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten 1996/97, Gymnasium Saarburg 1997

Bild: Entwurf der Klause des preußischen Baumeisters Schinkel

Bild und Text: Landesgeschichtlicher Exkursionsführer Rheinland-Pfalz Band 2, Regierungsbezirk Trier, hrsg. von Klaus Kremb und Peter Lautzas, Otterbach 1991, S.114f

"Nur wenige Kilometer südlich von Saarburg liegt auf einer natürlichen Felsbastion, weithin sichtbar, eines der kostbarsten, jedoch kaum bekannten Denkmäler der deutschen Romantik, die Klause von Kastel, auch als Serriger Klause bekannt. Dabei handelt es sich um ein von Carl Friedrich von Schinkel umgestaltetes Bauwerk, das eine seit dem 16. Jahrhundert existierende Klause mit einbezog. Schinkel erhielt 1835 vom preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. den Auftrag, hier eine würdige Grabstelle für den 1346 in der Schlacht von Crecy gefallenen blinden König Johann von Böhmen zu errichten. 1838 wurden die Gebeine König Johanns in der Klause beigesetzt. Sie verblieben hier bis zu ihrer Überführung in die Kathedale von Luxemburg im Jahre 1946. ... Die heutige Klause ist somit ein frühes Beispiel klassizistischer Neuromantik."

Fragen zu Text und Bild:
Anlass der Reise des Kronprinzen an die Saar im Jahre 1836 war vor allem die "Entdeckung" der Überreste des blinden Königs Johann in der Abtei Mettlach. Die Hohenzollern sahen in dem Luxemburger einen ihrer Vorfahren und wollten ihn – entsprechend dem romantischen Zeitgeist – in der umgestalteten Klause, die ansonsten keinen Bezug zu ihm besaß, beisetzen.

  1. Informiere dich über die Biographie des Königs Johann von Böhmen, der auch Graf von Luxemburg war, und seine Beziehungen zum Saarburger Land. Ein Hinweis: Er spielt in der Geschichte Freudenburgs eine wichtige Rolle!

  2.  Stelle dir folgende Situation vor: Gutsbesitzer Valdenaire und Baumeister Schinkel treffen sich 1837 auf der Baustelle der Klause. Es entspinnt sich ein Streitgespräch darüber, ob die ansehnliche Geldsumme für den Bau der Klause nicht besser in einen Fonds für die notleidenden Bauern und Winzer an Saar und Mosel geflossen wären. Formuliere dieses Streitgespräch anhand der Informationen aus dem gesamten Kapitel und der Abbildung.

[1] Karl Marx veröffentlichte diese Petition in der Rheinischen Zeitung, 20.01.1843, in MEW, p.197
[2] hier stünde Saarburg, Marx ließ diesen Teil jedoch aus ”Datenschutzgründen” weg
[3] hier stünde Nikolaus Valdenaire
[4] vgl. Bedingung für Landtagsdeputierte war mindestens 20 Tlr. an Grundsteuer!!!
[5] Rheinische Zeitung vom 20.01.1843 , aus MEW, p.197
[6] Beratungsbuch des Gemeinderats von Saarburg 1846-1863 vom 08.03.1848
[7] Zu nennen sind die Zerstörungen der Schlagbäume in Trassem, Niederleuken und Freudenburg am 25.03.1848: Christoph Nonn, Das Saarburger Land in der Revolution von 1848/49, in: Jahrbuch Kreis Trier-Saarburg 1999, S. 71–84; auch die ”Baumschläge” der Serriger, Irscher, Beuriger und Orscholzer nach dem 02.05.1848: Lenz/Meier/Thome/Weilerswist, Die Revolution ”von unten” im Saarburger Land, 4. Preis Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten1998/99, Gymnasium Saarburg 1999
[8] Trierische Zeitung Nr. 130, vom 9. Mai 1848