15. SOZIALGESCHICHTE SAARBURGS IM 19. JAHRHUNDERT
| Im 19. Jahrhundert waren die örtlichen Armenverbände Träger der Armenhilfe; in Saarburg war dies seit 1871 die “Armenkommission”, die den städtischen “Armenfonds” verwaltete. Dieser “Armenfonds” besaß Gebäude, Ländereien und Kapitalien aus dem Besitz des ehemaligen Saarburger Hospitals; vor allem verlieh er Gelder wie eine Bank und finanzierte u.a. mit den Zinsen seine Ausgaben für die Armenhilfe. Die Kommission war verpflichtet, im Fall einer Notlage einem Menschen, der in Saarburg seinen “Unterstützungswohnsitz” hatte – er musste dort zwei Jahre lang gewohnt haben, er hatte nach dort geheiratet oder war dort geboren – , aus den Erträgen des “Armenfonds” finanzielle oder häufiger materielle Unterstützung zukommen zu lassen. Da die Stadt in den Jahren 1854/55, 1861 und 1867/68 wirtschaftliche Krisenjahre erlebte, musste die Stadtverwaltung immer wieder Zuschüsse zum “Armenfonds” zahlen. Aber auch diese hätten nicht gereicht, die vielen Armen der Stadt zu versorgen, zumal auch das städtische Krankenhaus jährlicher Zuschüsse von Stadt und kath. Pfarrkirche bedurfte. So war man auf Spenden von Bürgerinnen und Bürgern angewiesen. |
Nach: Melanie Biniwersi/Editha Borens: Der Saarburger Armenfonds “Bank für die Armen". 5. Preis im Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten 1996/97, Gymnasium Saarburg 1997
Schon vor der Zeit der eigentlichen Armenkommission, deren Einrichtung am 01.07.1871 vom Stadtrat der Stadt Saarburg beschlossen wurde, gab es Wohltäter, die das Städtische Hospital, und damit auch die öffentliche Armenpflege, unterstützten. Diese Unterstützungen liegen zum größten Teil in Form von Vermächtnissen und Schenkungen vor:
| 1.) 1834: Vermächtnis des Feldhüters Nikolaus Schneider, bestehend in einem Garten in Liescher, Wert: | 85 Thaler |
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2.) 1836: Schenkung des Mitglieds der Hospitalskommission Johann Haupt, bestehend in einem Stück Land auf Frohnder, um dadurch das daselbst gelegene Hospitalsland mit dem Weg in Verbindung zu bringen |
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3.) 1852: Vermächtnis der Rentnerin Josefa Jakoba Reden, dieses kam erst 1858, nach Beendigung eines gerichtlichen Verfahrens zur Auszahlung und erbrachte abzüglich der entstandenen Kosten rund |
7388 Thaler |
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4.) 1860: Vermächtnis der Rentnerin Katharina Hewer "von deren Zinsen arme Kommunionskinder gekleidet werden sollen, auch mir am Katharinentage dafür vom Hospital eine Messe halten zu lassen, wozu die Kommunionskinder eingeladen werden mögen beizuwohnen." |
1500 Thaler |
| 5.) 1868: Vermächtnis der Rentnerin Katharina Schäfer | 2025 Thaler |
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6.) 1872: Zur Hebung des Schwer belasteten Armenfonds werden durch freiwillige Beiträge von der Kirche und private Personen zugeführt: |
380 Thaler |
| 7.) 1874: Vermächtnis der Witwe Anna Hein geb. Jaeger bestehend in einem kleinen Hause, Johannesstraße No. 145, unter der Bedingung, daß mir eine stille Messe in der hiesigen Pfarrkirche gestiftet werde." Der Reinerlös machte: | 285 Mark |
| 8.) 1874: Vermächtnis des Pfründners Franz Altenhofen im Kirchenhause | 90 Mark |
| 9.) 1875: Vermächtnis der Rentnerin Elise Staadt | 600 Mark |
| 10.) 1882: 12. 08.: Geschenk für Armenfonds von Elisabeth und Karoline Schreiner, geb. am 11. 03. 1818 bzw. am 06. 03. 1846 in Saarburg unter dem Vorbehalt, daß ihnen bis zu ihrem Tod jährlich 4 ½ % Zinsen gezahlt werden. | 3000 Mark |
| 11.) 1884: Vermächtnis des Hauptmanns a.D. Johann Konz in Saarburg geboren in Crutweiler | 500 Mark |
| 12.) 1884: Schenkung der Katharina und Elise Schreiner, welche bei dem früheren hiesigen Dechanten, späteren Domkapitular von Wilmowsky in Diensten gestanden, in der Höhe von und unter der Bedingung: " daß ihnen zeitlebens der Genuß der Zinsen zustehe." | 3000 Mark |
| 13.) 1885: 24. 01.: verstorbener Hauptmann a.D. Konz spendet an die Hospitalskasse, "worauf sich die Versammlung zu Ehren des Verstorbenen von den Sitzen erhebt” | 500 Mark |
| 14.) 1886: Schenkung der Eheleute Briefträger a.D. Johann Braun und Frau, geb. Kronenburger, unter der Bedingung: "daß uns beiden jährlich bis zum Tode des letzten von uns die Zinsen dieser Summe zu 4% berechnet, ausgezahlt und nach dem Tode des letzten von uns beiden unserer und unserer Söhne Gräber so lande in einem würdigen Zustande erhalten werden, als sie nicht anderweitig belegt sind." | 300 Mark |
| 15.) 1886: Schenkung derselben Eheleute Braun unter der Bedingung: " daß der jedesmaligen Krankenhausvorsteherin jährlich drei Mark übermittelt werden, damit diese dafür sorgt, daß in der Hauskapelle des Krankenhauses jährlich zwei heilige Messen für unser und unserer Söhne Seelenheil gelesen werden. Die Vorsteherin soll verpflichtet sein die Hospitaliten aufzufordern diesen heiligen Messen beizuwohnen und für unser und unserer Söhne Seelenheil zu beten. Sollten die Ordensfrauen je Saarburg verlassen, so ist das Hospital St. Nikolaus[1] verpflichtet die betreffenden drei Mark der Pfarrgeistlichkeit zu demselben Zweck jährlich auszuhändigen." | 150 Mark |
| 16.)1886: Schenkung der Gebrüder Benning, Pfründner im Krankenhause unter der Bedingung: "alljährlich im Hospital eine stille Messe für dieselben lesen und der Vorsteherin jedesmal zwei Mark zu diesem Zweck auszuhändigen." | 150 Mark |
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17.)1887: Vermächtnis des Rentners Johann Maximilian Michael Hewer "jedoch mit der ausdrücklichen Bedingung, daß das Kapital unverkürzt bleiben, auch die Zinsen davon nur für wohltätige Zwecke an hiesige würdige Arme verwendet werden sollen." |
3000 Mark |
| 18.)1889: Schenkung des Johann Wallerich, Pfründners im Krankenhaus unter der Bedingung: "daß der jedesmaligen Krankenhausvorsteherin jährlich Mark 1,50 mit dem Auftrage überwiesen werden dafür Sorge zu tragen, daß jährlich in der in der Kapelle des Krankenhauses für mich und meine verstorbenen Eltern Math. Wallerich und Anna Haufer eine Messe gelesen wird, zu deren Besuch die Hospitaliten durch die Krankenhaus-Vorsteherin eingeladen werden sollen. Geht die Hauskapelle ein oder verlassen die Ordensfrauen Saarburg so ist der Armenfonds verpflichtet den Betrag von Mark 1,50 der Pfarrgeistlichkeit jährlich zum gleichen Zweck zu überweisen. Besondere Wünsche, an welchem Tage die Messe gelesen werden soll, habe ich nicht." | 90 Mark |
| 19.)1889: Schenkung von "Ungenannt" mit der Verpflichtung: "daß der Vorsteherin des Krankenhauses alljährlich Mark 1,50 zur Lesung einer Messe für die Person gegeben werde u.s.w. wie bei No. 12" | 100 Mark |
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20.)1892: Schenkung der Eheleute Kaufmann J. H. Wagner und Mathilde Irsch "in Veranlassung des bei ihnen verstorbenen Onkels, Rentners Franz Bigot aus Beaumarais, mit der Verpflichtung, daß die Zinsen den städtischen Armen zugewiesen werden." |
300 Mark |
| 21.)1892: Vermächtnis des Pastors Heinrich Irsch zu Leiwen, eines geborenen Saarburgers | 1184,70 Mark |
| 22.)1896: Vermächtnis des Dechanten Johann August Dorbach zu Bernkastel, eines geborenen Saarburgers | 100 Mark |
| 23.)1896: Schenkung der Eheleute Schreiner August Seiler und Katharina Burens | 200 Mark |
| 24.)1898: Verzichtleistung des Lederfabrikanten Adolf Rheinart zu Gunsten des Armenfonds auf eine Forderung an die Stadt für abgetretenes Gartengelände beim Bau des Zugangsweges zum neuen Schulhause in der Höhe von | 3000 Mark |
| 25.)1908: Der am 14. Januar verstorbene Glockengießer Johann Mabillon wendet dem Armenfonds zu: | 500 Mark |
| 26.)1911:
Der im August verstorbene geheime Sanitätsrat Dr. Hecking
vermacht der Stadt Saarburg ein Kapital von mit der Bestimmung, daß die Zinsen davon zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden sollen[2] |
75800 Mark |
II. Der Saarburger Armenfonds: die Hilfsbedürftigen
Hier zunächst einige Beispiele von Antragstellerinnen, deren Anträge bewilligt wurden:
| 1.) 17. 05. 1877: | "Der Witwe Braun sind 4 Kinderschuhe und 4 Hemden bewilligt." |
| 2.) 10. 11. 1877: | "Die Witwe Lauer kann wieder Aufnahme im Krankenhaus finden." |
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3.)
12. 01. 1878: |
"Der
Witwe Timmermann ist zunächst eine Stube im Kirchenhaus zu
überweisen." |
| 4.) 06. 07. 1878: |
"Der Ehefrau Nikolaus Römer wird eine monatliche Unterstützung während der Zeit, wo ihr Mann inhaftiert ist, von 9 Mark bewilligt, wovon am Ende des Jahres 6 Mark auf den Polizeistrafgelderfonds zu liquidieren bleiben." |
| 5.) 21. 12. 1878: |
"Vom ersten Quartal des künftigen Jahres werden zu den bisherigen laufenden Unterstützungen solche an folgende Personen bewilligt und zwar: Witwe Spiedel:3 Mark, Elisabeth Duhr: 3 Mark, Witwe Cartier: Erhöhung von 3 Mark auf Summa 9 Mark |
| 6.) 06. 12. 1879: | "Die Ehefrau Kersten erhält zwei Brote wöchentlich." |
| 7.) 03. 01. 1880: |
"Die Witwe Johann Boden erhält drei Paar Schuhe für ihre Kinder." "Die Witwe Breuer erhält ein Paar Schuhe."[3] |
Es wurden jedoch auch Anträge aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt:
| 1.) 15. 08. 1868: | "Die Übernahme der Pflegekosten während der Krankheit des verstorbenen Hirtenknaben Schwindling zur Zeit Knecht bei dem Hirten Duhr mit 16 Reichsthalern können auf die Stadtkasse nicht übernommen werden, da das Hospital nicht nachweisen kann, daß der zur Krankenpflege bestimmte Fonds erschöpft ist." |
| 2.) 31. 07. 1871: | "Der Antrag auf Erziehungsgeld für das Kind der verstorbenen Frau Elisabeth an dessen Pflegemutter Witwe Johann Pilcher aus Freudenburg wird abgewiesen. Die Person, die ihr das Kind gegeben hat, soll zahlen." |
| 3.) 11. 10. 1873: | "Die Witwe Haupt und ihre Tochter erhalten kein Niederlassungsrecht in Saarburg, da sie in Merzig Ortsangehörigkeit haben." |
| 4.) 07. 04. 1877: |
"Der Unterstützungsgesuch der Katharina Junk wird abgelehnt, da dieselbe noch erwerbsfähig erscheint." |
| 5.) 26. 01. 1878: | "Der Gesuch der Witwe Kaiser auf Verabfolgung verschiedener Kleidungsstücke für ihre blinde Schwester vom 12. 01 1878 wird abgelehnt." |
| 6.) 30. 03. 1878: | "Die Witwe Schuh erhält keine Unterstützung, da sie noch erwerbsfähig ist." |
| 7.) 21. 12. 1878: | "Das Gesuch der Anna Thiel auf Unterstützung wird abgewiesen, da sie selbst noch arbeitsfähig ist und außerdem noch mehrere arbeitsfähige Kinder hat." |
| 8.) 12. 04. 1879: | "Das Gesuch auf Übernahme einer laufenden Unterstützung an die Witwe des verstorbenen Försters Wegner wird abgelehnt, um den städtischen Armen nicht ungerecht zu werden." |
| 9.) 06. 02. 1880: | "Die Witwe F. ist mit ihrem Gesuch abzuweisen, weil die Not und die Dürftigkeit nicht nachgewiesen ist."[4] |
Es war zur damaligen Zeit Gesetz, dass eine Person nur an dem Ort Anspruch auf Unterstützung hatte, in dem sie beheimatet war. Da dies bei der Witwe Haupt und ihrer Tochter in Saarburg nicht der Fall war, wurden sie abgelehnt.
Es folgen die angenommenen Anträge aus dieser Zeit:
| 1.) 04. 02. 1870: | 14 Familien erhalten eine zweimonatige Zurückstellung ihrer Schulgeldzahlung. |
| 2.)
04. 08. 1877: 10. 11. 1877: |
"Dem
Carl Braun können für zwei weitere Monate die Mittel zur Ausbildung als
Rasierer mit 24 Mark auf die Armenkasse angewiesen werden." |
| 3.) 10. 11. 1877: | "Dem Nikolaus Hemmerling und der Katharina Kaiser sind für jeden ein Paar Schuhe bewilligt." |
| 4.) 26. 01. 1878: | "Dem Carl Schulzen Vater wird auf seine Eingabe vom 14. 01. vom 1. ab eine monatlich fortlaufende Unterstützung von 6 Mark und seinem Sohn eine einmalige außerordentliche Unterstützung von 15 Mark, wegen Krankheit seiner Frau, gewährt." |
| 5.) 30. 03. 1878: | "Der Maurer Johann Meyer erhält eine monatliche Beihilfe von 5 Mark." |
| 6.) 23. 05. 1878: | "Nikolaus Hoon kann in der Pflegeanstalt Dr. Landmann untergebracht werden." |
| 7.) 08. 08. 1878: |
"Der 13jährigen Tochter der Katharina Kaiser kann ein Paar Schuhe gewährt werden." |
| 8.) 21.12. 1878: | "Den Kindern Braun können Schuhe verabfolgt werden." |
| 9.) 07.06. 1879: | "Den 3 Kindern Kersten ist, während der Vater die 3-monatige Gefängnisstrafe abbüßt, aus dem Krankenhaus Essen zu verabreichen, das der Vorsteherin in bar vergütet werden kann." |
| 10.) 15.07. 1879: | Lieferung von Petroleum und Steinkohle für die städtischen Armen |
| 11.) 02.08. 1879: | "Nikolaus Hemmerling kann ein Paar neue Schuhe erhalten." "Andreas Thiel kann 2 Bettücher, 2 Hemden und 1 Wolldecke aus alten Beständen des Krankenhauses bekommen. |
| 12.) 20.09. 1879: |
Die Stadt übernimmt die Verpflichtung zur Übernahme der Kleiderkosten und Krankenkosten für den taubstummen Knaben J.J. Keukert in die Taubstummenanstalt Krefeld |
| 13.) 03.01. 1880: | J. Reinert - Klein kann Aufnahme in einer Bewahranstalt finden. Die Verpflegungskosten werden aus dem Armenfonds bezahlt. |
| 14.) 06.02. 1880: |
"Dem F.F. wird eine einmalige Unterstützung von 6 Mark wegen Krankheit seiner Frau bewilligt."[5] |
Fragen zu den Spendern:
Erstelle eine Liste der Helfer nach ihrem sozialen Stand bzw. Beruf, soweit ersichtlich.
Differenziere die Spendenhäufigkeit und -summen nach Männern, Frauen und Ehepaaren.
Manchmal lassen sich die Motive der Spenderinnen/Spender erkennen.
In Saarburg gibt es eine “Heckingstraße”. Kannst du erklären, warum man Dr. Hecking mit einer Straße ehren wollte ?
Wie werden heute die Ausgaben für Armenhilfe finanziert ? Erkundige dich beim Sozialamt der Verbandsgemeinde – Verwaltung.
Fragen zu den Menschen in Not:
Erstelle eine Liste der Frauen, Männer und Kinder, deren Anträge auf Unterstützung von der Armenkommission angenommen wurden. Welche Gründe wurden von ihr akzeptiert ?
Es gab auch Arme, deren Anträge abgelehnt wurden. Welche Gründe für die Ablehnung werden aufgeführt ?
Es gab verschiedene Formen der Hilfe für die Armen. Liste diese auf.
Vergleiche heutige und damalige Formen von Armut: Erkundige dich beim Sozialamt.
[1]
gemeint ist der städtische Armenfonds
[2]
Die einzelnen Angaben stammen aus: J.B. Hecking, Das Hospital in
preußischer Zeit, Saarburg (1903), S. 31 ff, und den Stadtratsbeschlüssen
von 1863 – 1911 (s. jeweilige Beschlussbücher)
[3] Stadtratsbeschlüsse vom
25. November 1863 bis 06. Februar 1880
[4] Stadtratsbeschlüsse vom
25. November 1863 bis 06. Februar 1880
[5] Stadtratsbeschlüsse vom
25. 11. 1863 bis 06. 02. 1880