26. Die Not der Nachkriegsjahre
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Wincheringen. Am vergangenen Sonntag beschlossen die zehn Oberbürgermeister und sämtliche Gemeindevertreter des Amtsbezirkes Palzem in einer Resolution an die Landesregierung ihre Ämter solange niederzulegen, bis die von der Regierung versprochene Hilfe für die, durch Kampfhandlungen und zweimalige Evakuierung besonders schwer betroffenen Gemeinden, in die Tat umgesetzt sei. Zu Beginn der Protestkundgebung gab Bürgermeister Weiter - Südlingen den Zweck derselben bekannt und schilderte erneut die katastrophalen Zustände des Gebietes der "Roten Zone ". Mit scharfen Worten kritisierte er das Verhalten der Grenzlandausschüsse und Besichtigungen durch staatliche Kommissionen, die wohl die Not der Gemeinden gesehen, doch nichts zur Linderung getan hätten. Sodann entwarf Amtsbürgermeister Becker ein Bild von der Notlage der zehn Gemeinden seines Amtes, die allein nach zweimaliger Evakuierung Gesamtschäden von 50% aufzuweisen hätten. Dazu kämen noch die schwersten Schäden durch monatelange Kämpfe, in denen das Gebiet vollkommen der Vernichtung preisgegeben war. Von acht Schulen wurden allein fünf zerstört und die übrigen drei stark beschädigt, sämtliche Eisenbahnbrücken sanken in Trümmer, jedes Haus war beschädigt, Äcker, Wiesen, Wälder, Straßen und Weinberge vermint, sowie teilweise durch Bomben und Artillerietreffer zerpflügt. Und von den Bauern, Winzern und Gewerbetreibenden dieser so grausam geschlagenen Gemeinde verlange das Finanzamt Soforthilfeabgaben. Wie könne man von einem schwer beschädigtem Betrieb der "Roten Zone" dieselbe Steuersumme wie von gleich großen unbeschädigten im Inneren des Landesfordern. Im Dezember 1947 sei der Amtsbezirk zum Notstandsgebiet erklärt worden, und obwohl ein umfassendes Hilfsprogramm aufgestellt worden sei, sei das Ergebnis" Nichts" gewesen. Der Redner legte sodann eine umfangreiche Liste von Beihilfeanträgen für kommunale Aufgaben vor, die alle unberücksichtigt geblieben seien. Unter Bezugnahme auf den Artikel 49 der Landesverfassung stellte er weiterhin die Frage, wo der im Gesetz festgelegte Finanz- und Lastenausgleich verblieben sei. Wenn man einen Kommunalverband an der Obermosel-SaarGrenze von 28. 000 DM Fehlbetrag nur 7.800 DM erstatte, einer- Gemeinde in der Pfalz dagegen, die gar keinen Fehlbetrag aufweise noch 3.500 DM aus sogenannten Restmitteln dazu gebe, dann werde vieles verständlich. Die Rote Zone fordere daher einen sofortigen und ausreichenden Finanzausgleich durch Schlüsselzuweisungen, denn sie sei des Bettelns um Bedarfszuweisungen müde geworden. Anschließend erklärte der Amtsbürgermeister, dass man seine Ausführungen wohl als Demagogie oder als Verfassungsbruch hinstellen wolle, sie seien jedoch nichts als die Wahrung der berechtigten Interessen seiner ihm anvertrauten Gemeinden dem Staat gegenüber. |
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Einstimmige Annahme der Protestresolution Bürgermeister Fox - Beuren wies auf die erregte Stimmung im Saargrenzland hin. Vier Jahre habe man geschwiegen und gewartet. Nun sei die Geduld am Ende. Der von ihm eingebrachte Antrag, dass alle Gemeinderäte und Bürgermeister ab 1. Februar ihre Arbeit niederlegen sollen, bis die versprochene Hilfe eintreffe, wurde sodann einstimmig angenommen. Die Amtsvertretung dagegen möge ihre Geschäfte weiterfahren und mit der Regierung verhandeln. Die Forderungen der Gemeindevertreter erstrecken sich insbesondere auf die Gewährung folgender seit langem beantragte Zuschüsse:
Eine Reihe von Sprechern aus den einzelnen Gemeinden schilderten die besonderen Nöte ihrer Dörfer. Abgeordneter Thiel - Wincheringen setzte sich besonders für eine angemessene Entschädigung der Jagden, die im ganzen Amtsbezirk noch von der Besatzung beschlagnahmt sind, ein. Bürgermeister Linden - Kreuzweiler unterstrich nochmals die bereits vorher erhobene Forderung dass nur das wirklich zweimal evakuierte Kampfgebiet als "Rote Zone" gelten dürfe. Abgeordneter Hein - Palzem wandte sich gegen die Sinnlosigkeit der Erhebung des Notopfers Berlin in der "Roten Zone", und setzte sich für die Schaffung eines Notopfers der "Roten Zone" ein. Der Bürgermeister von Kirf schloss sich für die Gemeinde der Protestaktion an. Zum Schluss der Kundgebung wurde mit den Worten des Dankes Amtsbürgermeister Becker ein Vertrauensvotum ausgesprochen. |
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Aufgaben:
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Bild- und Textnachweis: Alexandra Willkomm/Stephanie Ludwig, Bürgermeisterstreik im Amt Palzem, Schülerwettbewerb deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten 1998/99, Gymnasium Saarburg 1999, S. 15f und 34f.- Die Bilder zeigen in der Reihenfolge von oben nach unten:
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