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Weingüter in Serrig Teil 1 |
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Text 1 Udo
Fleck: Ein Sekthersteller an der Saar. Die Errichtung der Sektkellerei Schloß Saarfels in Serrig zwischen 1912 und 1914[1] durch den Sektfabrikanten Adolf Wagner aus Beurig/Saarburg fiel in die wirtschaftliche Blütezeit der Sektindustrie in den damals preußischen Rheinlanden. |
Adolf Wagner wurde 1877 als Sohn des Bierbrauers Josef Wagner in Lockweiler/Merzig geboren. 1880 übersiedelte die Familie nach Beurig, wo der Vater einen Winzerbetrieb mit Lagen in Saarburg, Ockfen und Ayl errichtete. Als zu Beginn unseres Jahrhunderts die Weinwirtschaft an Saar und Mosel in eine ernsthafte Krise geriet, trug Josef Wagner den Zeichen seiner Zeit Rechnung und sandte seinen Sohn vor 1900 zur Ausbildung nach Reims, dem Zentrum der französischen Champagnerherstellung.
Nach Beendigung der Lehrjahre in Reims absolvierte Adolf Wagner seine Militärzeit im 5. Bayerischen Kavallerieregiment Erzherzog Albrecht von Österreich in Saargemünd und heiratete im Mai 1902 Mathilde Nienuer, die Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns aus Lingen. Um die gleiche Zeit begann er auch mit dem Versuch, auf der Basis von Saar-Rieslingweinen Sekt nach klassischer Méthode Champenoise herzustellen. Dank der Qualität seines Sekts stieg die Jahresproduktion bis 1914 auf mehr als eine Million Flaschen an, so dass er schon frühzeitig an die Erweiterung seiner Produktion denken konnte. Deshalb erwarb Wagner 1911 die Wingertsheck in Serrig und errichtete hier zwischen 1912 und 1914 nach Plänen des Saarburger Architekten Christoph Ewen für eine Million Goldmark das Schloß. 1914 gründete er die Sektkellerei Schloß Saarfels, deren Entwicklung vielversprechend begann: Zwischen 1915 und 1920 steigerte Wagner seine Erträge auf jährlich mehr als 120 Fuder Wein, die zu Sekt verarbeitet wurden.
Begünstigt wurden seine Geschäfte überdies durch einen 1914 einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung, da die Entente mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine Handelsblockade gegen das Kaiserreich verhängte. Besonders die zunehmenden Lieferungen an die Armee sowie der steigende Inlandsabsatz erhöhten auch die Gewinne Wagners, die er in Kriegsanleihen und in eine neue Sektkellerei in Trier investierte.
Eine markante Zäsur bedeutete hingegen das Ende des Ersten Weltkrieges im November 1918. Die Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch die Alliierten sowie die Unterzeichnung des Versailler Vertrages im Juni 1919 verschärften die politische, wirtschaftliche und soziale Situation im Rheinland. Besonders Artikel 268 des Versailler Vertrages, der explizit den Franzosen und Luxemburgern auf fünf Jahre die volle Zollfreiheit bei Importen ermöglichte, führte zu einer Überschwemmung des deutschen Marktes mit ausländischen Weinen. Allein in den ersten Jahren nach dem Krieg sank so der Sektkonsum in Deutschland um 72%.
Auch Wagner mußte sich auf die neuen Verhältnisse einstellen. Zusammen mit Ferdinand Schuler gründete er im Oktober 1919 die Schloß-Saarfels-Aktiengesellschaft. Zudem versuchte er, sich durch den Erwerb einer Gipsgrube an der Mosel und durch die Beteiligung am Erzbergbau in Greimerath ein zweites wirtschaftliches Standbein zu schaffen. Daneben gründete er in Remich/Luxemburg eine Zweigniederlassung seiner Kellerei, um so als ausländischer Weinhändler die wirtschaftlichen Bestimmungen des Versailler Vertrages zu umgehen. Trotzdem waren die Geschäfte wenig gewinnbringend. Wagner, der durch das Ausscheiden Schulers alleiniger Inhaber der Aktiengesellschaft geworden war, sah sich daher gezwungen, Kredite zur Betriebssicherung aufzunehmen. Bereits Anfang 1925 hatte er sich zur Gewährleistung seiner Liquidität 150 000 Mark geliehen; bei der Stadtsparkasse in Saarlouis borgte er zudem 500 000 Mark, die im Mai 1927 von der Bank für Saar- und Rheinland übernommen wurden. Wagner konnte seine Zahlungsschwierigkeiten aber nicht beheben und trat im Februar 1931 seine Aktiengesellschaft an die Bank für Saar- und Rheinland ab. Um die Forderungen seiner Gläubiger ganz befriedigend zu können, mußte er zudem der Versteigerung seines Schlosses zustimmen, das im Juni 1931 ebenfalls von der Bank erworben wurde. Wagner, der mit seiner Familie bereits 1930 das Schloß verlassen hatte, verstarb am 20. Juni 1936 in seinem Elternhaus in Beurig.
Die Bank vernachlässigte in den folgenden Jahren die Kellerei. Zwischen 1936 und 1938 führte man den Betrieb lediglich als kleinen Nebenerwerb, wobei sich der Umfang der jährlichen Sektproduktion auf durchschnittlich 14 000 (!) Flaschen belief; der Erlös sank dabei von 33 280 Mark im Jahre 1934 auf 18 652 im Jahre 1938.
Aus diesem Grund wollte sich die Bank seit 1936 von der Anlage trennen. Ein großes Problem war hierbei der Umstand, daß die Bank für Saar- und Rheinland dem in der Schweiz lebenden jüdischen Bankier Sally Isenberg gehörte, der seit den Nürnberger Gesetzen vom September 1935 wie alle jüdischen Geschäftsleute Einschränkungen in seinem Wirkungskreis unterworfen war. Isenberg bemühte sich deshalb um den Verkauf seiner deutschen Besitzungen. Im Laufe des Jahres 1938 kam es zu Verhandlungen mit den Vereinigten Hospitien in Trier und im November 1938 einigte man sich auf einen Kaufpreis von 300 000 Mark. Ehe der Kaufvertrag rechtskräftig werden konnte, legte der Reichsnährstand Widerspruch ein. Aufgrund der Wehrmaßnahmen der Regierung – gemeint war der Bau des Westwalls – forderte man die Aufteilung des Gutes sowie die Zuteilung der einzelnen Parzellen an Serriger Winzer; der Widerspruch wurde jedoch im Juli 1939 aufgehoben. Damit ging das Schloß endgültig in den Besitz der Hospitien über.
Als am 1. September der Zweite Weltkrieg begann, evakuierte die Gauleitung die Bevölkerung aus dem potentiellen Kampfgebiet. Die Kellerei verlegte man dabei von Serrig nach Trier, im Schloß selbst wurden Soldaten der Wehrmacht einquartiert. Der Aufenthalt von Angehörigen des Infanterie-Regiments 216 muß für diese sehr angenehm gewesen sein, denn als die Kellerei nach dem Sieg über Frankreich im Oktober 1940 wieder auf dem Schloß untergebracht wurde, fehlten 180 Flaschen Wein, 1420 Flaschen Sekt und 160 Liter Likör; daneben hatten die Soldaten Teile der Produktionsanlagen konfisziert. Ein geregelter Geschäftsbetrieb war wegen des Krieges undurchführbar. Der ständig steigende Bedarf der Wehrmacht, die zunehmenden Einberufungen, der Mangel an qualifizierten Arbeitern sowie Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Flaschen und Korken führten 1944 zu einer Verringerung der Produktion auf 77 000 Flaschen. Die Produktion kam zum Erliegen, als Serrig im Zuge des alliierten Vormarsches im Februar 1945 besetzt wurde.
Nach dem Krieg stand Schloß Saarfels wie die gesamte deutsche Wirtschaft vor dem wirtschaftlichen und organisatorischen Nichts. Der Versuch der Hospitien, den Betrieb wieder aufzunehmen, war aufgrund der Zugehörigkeit Serrigs zu dem damals an Frankreich angegliederten Saargebiet unmöglich. Erst die Rückkehr Serrigs zu Rheinland-Pfalz im Juni 1947 gestattete die langsame Wiederaufnahme der Produktion, wobei der Gewinn Jahr für Jahr erheblich gesteigert werden konnte. Der wachsende Umfang des Geschäfts führte allerdings zu scharfen Auseinandersetzungen mit der ortsansässigen Konkurrenz. Im Mai 1952 forderten verschiedene Kellereien in Trier die Einstellung der Sektproduktion auf Schloß Saarfels, da die Vereinigten Hospitien als gemeinnützige Stiftung nach Ansicht der Beschwerdeführer einen Gewerbebetrieb nicht mit Stiftungsgeldern unterstützen dürften. Daher veräußerten sie im Mai 1964 das Schloß mit der Kellerei an die Faber KG in Trier.
Über die Entwicklung von Schloß Saarfels nach 1964 können wegen der fehlenden Unterlagen kaum Aussagen gemacht werden. Gesichert ist der Verkauf für 250 000 Mark an Roland Spicka im August 1977, der es schließlich 1989 an den Luxemburger Sektfabrikanten Jean Paul Gales verkaufte.
(aus: Saarbrücker Zeitung, 18.02.1994)
Welche historischen Entwicklungen begünstigten den Erfolg der Sektkellerei Wagner, welchen Anteil haben persönliche Fähigkeiten?
Wie versucht Wagner der negativen wirtschaftlichen Entwicklung gegenzusteuern, mit welchem Ergebnis?
An zwei Stellen kommen andere Wirtschaftsvorstellungen zur Sprache. Erläutere sie und lege dar, welche Rolle sie hier spielen.
[1] Nach der „Beschreibung des Weingutes „Saarfels“ bei Serrig“, in: Illustrierter Führer durch Saarburg und Umgebung, Saarburg (1914), wurde das Gut während des Jahres 1912 von 250 Arbeitern erbaut.