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23.
ANTISEMITISMUS MITTE DER 30ER JAHRE
Teil 2 |
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Text 1: Das Nationalblatt berichtet: "Waih geschrieen" - Raus mit euch!
In endlicher Erkenntnis, wirklich überflüssig und lästig zu sein, ziehen sie denn dahin, diese Kinder Israels, nachdem sie Jahrhunderte auch in diesen Gegenden Fürsten und Herren, Bauern und fahrendes Volk begaunert, ausgezogen und ihrem Unglück überlassen haben. Auf den Stock gestützt, jammern sie uralte Klageweisen, wie an der Klagemauer in Jerusalem, wo sie alle miteinander hingehören. "Waih geschrieen" - diesmal schert uns das Gejammere einen Katzendreck. Wir rufen ihnen einen guten deutschen Abschiedsgruß zu: Raus mit euch! Die Zeit des "auserwählten" Volkes ist in Deutschland endgültig zu Ende. Denn unserer Nation sind durch das Bemühen unseres Führers Adolf Hitler und seiner herrlichen Bewegung ein für alle Male die Augen geöffnet worden. Auch für die anderen rassebewussten europäischen Völker wird einmal, trotz bolschewistischer Gegenminen, der Tag kommen, an dem sie den Juden auch ihrerseits zurufen werden: Raus mit euch! aus: Trierer Nationalblatt vom 22.08.1935, S.9.- Aufgaben: |
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Text 2: "Vom HJ-Zeltlager des Bannes 258 in Collesleuken" Hundert Pimpfe erobern sich tausend Herzen in Kirf Schon den ganzen Abend freuen sich die Jungen darauf, dass am Abend der lange versprochene Ausmarsch gemacht werden soll. Alles ist bereit. Um 8 Uhr steht die ganze Zeltlagerbesatzung und harrt der Sturmsignale. Noch weiß keiner, wohin der Marsch gehen wird. Endlich meldet Ernst dem Lagerleiter die angetretene Besatzung und jetzt erfährt man das Ziel der Reise. Es geht nach Kirf. Ei, das ist fein! Das Dorf liegt so trutzig am Berg da oben, die Feste muss genommen werden. Juden soll es dort noch eine Menge geben. Denen muss man doch mal zeigen, wie das junge Deutschland marschiert, und die Bevölkerung wartet ja auch schon lange auf unseren freundnachbarlichen Besuch. Die Dämmerung ist bereits herein gebrochen, dunkle Wolken hängen am Himmel. Eine Sturmnacht müsste das werden! (.....) Als wir am Mittelpunkt des Dorfes vor der Wirtschaft Reuter angekommen, hat sich dort schon eine große Menschenmenge angesammelt. Schnell ist unser Aufmarsch beendet, Fackelschein leuchtet auf. Eine Sprechchor- und Liederfolge singt das hohe Lied von dem Kampf, Leid und Sieg unseres Volkes in den letzten zwanzig Jahren. Weihevolle Stimmung liegt über dem Ganzen, spricht aus den jungen trotzigen Gesichtern der Pimpfe, spiegelt sich in den Mienen der Dorfleute, zieht alles in Bann. Dann spricht der Lagerleiter zu den Jungen von dem Sinn unseres Dienstes, von der Schönheit unseres Kampfes und von dem Wert unserer Feiern. Als zum Gedenken der toten Helden die Jungen stumm und ernst verharren, spricht aus dieser Stille unhörbar und doch so eindringlich und tief zu Herzen gehend das Gelöbnis der Treue aus zweihundert leuchtenden und entschlossenen Augen. Ein lustiges Fahrtenlied leitet zum frohen Singen über. Jetzt hellen sich die Gesichter wieder auf. Humor, Lebenslust und Lebensfreude brechen durch, die Grundstimmung unserer optimistischen Jugend. Hei, wie die lustigen Lagerlieder klingen! .... Staunend und bewundernd stehen die Leute von Kirf und freuen sich. Ihr Beifall aber wächst bei dem "Bittgebet um die Entführung des auserwählten Volkes" zu offener Kundgebung. In diese Stimmung wirft der Schulungsleiter seine werbenden Worte und, als sich die Arme des Junge zum "Liede der Jugend" recken, gehen auch die Fäuste der vielen im Kreise, der Bauern und Arbeiter, der Jungen und Alten, der Frauen und Mädchen wie zum Schwure mit. Die Jungen haben ihre Aufgabe erfüllt. Wir alle fühlen es zutiefst, dass eine heilige Begeisterung zurückgeblieben ist, als unser Sang sich draußen auf der Landstraße schon wieder an den Wipfeln der Waldbäume empor zum nächtlichen Himmel ringt. Feierlich sinkt auch bald die Flagge im Lager herab. Der Tag ist vorüber, die Schlacht ist vorbei. Bald liegt tiefster Friede über den Zelten, in denen junge Kämpfer einem neuen Morgen entgegenträumen. aus: Trierer Nationalblatt vom 23.08.1935, S.11.-
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Text 4: Schreiben des Generalstaatsanwalts zu Köln an den Oberstaatsanwalt zu Trier (17.12.1935): "[...] Insbesondere aber hätten möglicherweise die [...] angeführten Vorfälle in Freudenburg durch Ermittelung im HJ-Lager Weissenbriel aufgeklärt werden können. Die mit nichts belegte unzureichende Erklärung [.. .] über die Erfolglosigkeit der Ermittelungen zu den Vorfällen in Freudenburg kann nicht befriedigen und die Abstandnahme von weiteren Ermittelungen nicht rechtfertigen. Die Anordnung weiterer Ermittelungen unterbleibt lediglich deshalb, weil nunmehr die Strafverfolgung großenteils verjährt und jetzt weitere Ermittelungen keinen Erfolg versprechen. Des weiteren ist die verzögerliche Bearbeitung durch die Staatspolizeistelle in Trier zu beanstanden, die [...] erst 1 Monat nach Eingang der Akten Ermittelungen vorgenommen und sodann nach den am 8.Oktober erfolgten Vernehmungen [...] wieder erst 1 Monat später eine weitere Aufklärung veranlasst hat. Köln - Az. II 85 U 2/35 gez. Windhausen (StA Koblenz, Best. 584,2 Nr.184 S.23f.) Text 5: Erklärung Fanny Kahn, Freudenburg: Freitag 9.8.35: "judenfeindlicher Propagandamarsch durch das Dorf. Es waren Jugendliche aus einem HJ-Lager in Weissenbriel. Außerdem befanden sich in dem Zug auch Freudenburger. Der Zug war 100-150 Personen stark. Auf dem Marktplatz riefen Sprechchöre: Deutschland erwache, Juda verrecke" Steine an die Haustüre jüdischer Einwohner. 6 Fenster am Abend eingeworfen. "Die Täter hatten Blendlichter bei sich und schossen auch in die Luft." Samstag - Vormittag durch Ortsschelle, dass "der Führer derartige Ausschreitungen nicht wollte, die Täter würden streng bestraft, die Juden sollten sich ruhig verhalten." Schlafe. "Gegen 1 Uhr kam mein Sohn zu mir, dass er von einem Pflasterstein getroffen worden war. Verletzt war er nicht. Mein Sohn blieb jetzt bei mir auf der Mansarde." ½Uhr ruhig. "Dann stiegen mit einer Leiter über mein Schlafzimmer (im 1.Stock) 2 Personen in die Mansarde. Die Personen waren schwarz vermummt." (...) "Kurz darauf erhob sich ein außerordentliches Bombardement meines Hauses. Das Fensterkreuz und die Decke wurden stark beschädigt." aus: Staatsanwalt Trier: Vorverfahren gegen Lang u.a. wegen Sachbeschädigung (A3.4Js 859/ 1935) |
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Aufgaben:
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Lit.:
G. Heidt / D.S. Lennartz: "Fast vergessene Zeugen. Juden in
Freudenburg und im Saar-Mosel-Gebiet 1321-1943". (Freudenburg-Trier
2000).-
O. Nieß, Alltag im Nationalsozialismus: Unterrichtsvorbereitung aus dem Computer, München: Park Körner 1997.-https://www.park-koerner.de/ |