19. Der 1. Weltkrieg im Spiegel der Schulchronik der Anna Buch
Teil 1
Taben-Rodt 1914-1918
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Auszug aus der Schulchronik der Lehrerin Anna Buch von Taben-Rodt 1883 - 1918 |
Einwirkung des Krieges auf das Leben und Treiben der Gemeinde.
Text 1: Die ersten Kriegsmonate
Nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajewo am 28. Juni und mehr noch nach der Kriegserklärung Österreichs an Serbien am 29. Juli fühlten die Einwohner von Taben-Rodt und Hamm, dass sie ernsten Zeiten entgegengingen. Ein dumpfer Druck lag auf den Gemütern aller und als am 31. Juli Deutschland in den Kriegszustand erklärt wurde, da war es jedem gewiß, dass die nächsten Stunden über Krieg und Frieden entscheiden würden. Bange fragte man sich: „Ist es unserem friedliebenden Kaiser wohl noch einmal möglich, Deutschland den Frieden zu erhalten?" Immer drohender wurden die Wolken, die sich am politischen Himmel hinzogen, immer höher stieg die Spannung bei den Dorfbewohnern. Da - endlich in der siebten Stunde kam die Nachricht von der Anordnung der Mobilmachung und mit ihr die Gewißheit, dass Deutschland gewillt sei, seine und die gerechte Sache Österreichs mit den Waffen in der Hand zu verteidigen. Gewaltig war der Eindruck, den die Verlesung des Mobilmachungsbefehls auf die Einwohner unseres Ortes ausübte. In Gruppen sah man sie zusammenstehen und die Kriegslage besprechen. Krieg! Man konnte das Wort noch immer nicht fassen. Tiefer Ernst lag auf den Gesichtern aller; manche mußten schon in der Nacht fort ins Feld, doch keiner kannte Furcht und Zagen. Alle waren sich des Ernstes der Stunde voll bewußt und fest entschlossen, zur Verteidigung des Vaterlandes Blut und Leben hinzugeben. Wohl fiel es vielen schwer, Weib und Kind, die sich weinend an sie klammerten, zu verlassen. Doch erfüllt von hohem Pflichtgefühl und von Liebe zum Vaterland, rissen sie sich los und folgten begeistert den sieggewohnten deutschen Fahnen.
Charakterisiere die Stimmung der Bevölkerung bei Kriegsausbruch!
Vergleiche die Selbstdarstellung der Monarchie, wie sie hier in einzelnen Formulierungen deutlich wird, mit den historischen Fakten des Kriegsausbruchs. Was deckt sich, was ist politische Propaganda?
Versuche an einem heutigen, politisch-militärischen Konflikt Unterschiede zwischen politischer Selbstdarstellung/Propaganda und Fakten, soweit sie recherchierbar sind, herauszuarbeiten.
Text 2
Herzlich war der Abschied, den die Dorfbewohner, von jedem, der in den Krieg zog, nahmen. Seit des Kriegsausbruches war das Gefühl der Zusammengehörigkeit weit inniger geworden. Alle fühlten sich ein einig Volk von Brüdern, das sich in keiner Not und Gefahr trennte, das von demselben Feinde bedroht, sich gemeinsam schützte. So zogen ungefähr 80 wehrfähige Dorfbewohner von den treugenannten Wünschen der Zurückgebliebenen begleitet in den Kampf. Auf Wiedersehen! Möchte es doch allen beschieden sein! In atemloser Spannung erwarteten die Tabener die ersten Nachrichten vom Kriegsschauplatz, waren doch viele mit banger Sorge erfüllt, die Franzosen möchten in ihr stilles Heimatdorf einbrechen und Leben, Hab und Gut vernichten. Da kamen erste Siegesnachrichten - die Erstürmung Lüttichs - der Sieg der Bayern in Lothringen - die Siege der Kronprinzenarmee - welch ein Jubel! Die Depeschen, die regelmäßig an der Post angeschlagen wurden, waren von Neugierigen umlagert. Die Zeitungen konnten kaum erwartet werden, von nichts anderem wurde mehr gesprochen als vom Krieg, jeder war stolz, der einen Familienangehörigen bei den tapferen Siegern hatte. Und Sieg folgte auf Sieg! Unsere Soldaten waren auf dem Wege nach Paris.
Beruhigt ging jeder wieder an seine gewohnte Arbeit, keiner fürchtete mehr, dass ein Einbruch unseres Erbfeindes den Frieden der Heimat stören würde. Mit Freude fühlte jeder die Wahrheit der Worte: „Lieb Vaterland magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein!" Die Begeisterung der Großen teilte sich auch den leicht empfänglichen Herzen der Kinder, vor allem der Knaben mit. Am liebsten wären sie alle mit in den Krieg für Deutschlands Ehre gezogen, da dieses aber ihnen nicht möglich war, erlebten sie den Krieg auf ihre Art, und die Kriegsspiele waren an der Tagesordnung. Die wichtigsten Siege wurden in der Schule gefeiert und so dem Gemüte der Kinder tiefer eingeprägt. Auch in der Kirche wurde der Sieg Generalfeldmarschalls von Hindenburg in den masurischen Seen durch Glockengeläute und Anstimmung des Tedeum gefeiert, und der hochwürdigste Herr Pastor Ohlig forderte alle Pfarrkinder auf, Gott zu danken für die große Gnade des Sieges, die er ihnen verliehen hatte. Auch das religiöse Leben der Pfarrkinder wurde durch den Krieg günstig beeinflußt, indem dieselben in der Kriegszeit fleißiger dem Gottesdienst beiwohnten und eifriger zu den heiligen Sakramenten gingen.
Mit den ersten Siegesnachrichten änderte sich die mentale Haltung der Bevölkerung. Beschreibe!
Diskutiert: Ist ein militärischer Sieg eine Gnade Gottes?