| 24. Kriegsende am
Westwall
Teil 2 Drei Soldatenschicksale 1945 |
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Von Februar bis Anfang März 1945 fanden im Bereich des Höckerberges, einer steilen und felsigen Anhöhe gegenüber Taben - Rodt auf der anderen Saarseite, erbitterte Kämpfe zwischen den angreifenden amerikanischen Truppen und den deutschen Verteidigern statt. Nachdem es den Amerikanern gelungen war, bei Taben und zwischen Kastel-Staadt und Serrig die Saar zu überqueren, versteifte sich der Widerstand des Gegners. Das felsige Gelände, der Baumbewuchs und die große Anzahl offener und verdeckter Bunker, die im Zuge des Orscholzriegels angelegt worden waren, zwangen zu einem erbitterten Kampf Mann gegen Mann mit ständig wechselnden Stellungen. Auf deutscher Seite waren neben regulären Wehrmachtstruppen im Gelände oberhalb von Irsch in Richtung Greimerath eine SS Einheit eingesetzt. Ergänzt wurden diese kampferprobten Truppen durch Volkssturmmänner und Hitlerjungen, die ohne sorgfältige Ausbildung zum Nahkampf gegen den Feind und seine Panzer geschickt wurden. Häufig stammten die Volkssturmmänner aus den umliegenden Dörfern, was sie zwar als geländekundig auswies, auf der anderen Seite aber die mangelnde Ausbildung an Waffen und Gerät nicht wettmachte.
Obwohl die Saarübergänge bereits Ende Februar gesichert und die umliegenden Orte fest in amerikanischer Hand waren, gab es noch Kämpfe um vereinzelte Stellungen und Bunker oberhalb Saarhausens auf dem Distrikt Hundscheidt bis Mitte März.
Die vorliegenden Quellen geben Auskunft über die Schicksale von drei Soldaten, die zwar auf verschiedenen Seiten kämpften, aber deren Schicksal sich gleichermaßen tragisch in unserer Heimat an der Saar vollendete.
Der deutsche Volkssturmmann Peter Wegner aus dem kleinen Ort Hamm bei Taben-Rodt erhielt am Dienstagmorgen des 20. Februar 1945 in Serrig den Befehl, sich mit seiner Gruppe von 18 Mann zu einem Feindeinsatz nach Saarhölzbach zu begeben. Die Volkssturmmänner, die wahrscheinlich alle aus den Dörfern zwischen Obermosel und Saar stammten, fassten angesichts der aussichtslosen militärischen Situation den Entschluss, das Kampfgebiet zu verlassen. Sie marschierten durch den Neunhäuser Wald Richtung Zerf in der Hoffnung, dort einen Zug zu erreichen, der sie in das Evakuierungsgebiet ihrer Angehörigen im Raum Bad Kreuznach bringen könnte. Gegen 13 Uhr wurde die Gruppe in Höhe des Distriktes „Hüttweg" am Wildgatterzaun von einem Tieffliegerangriff überrascht. Peter Wegner erlitt Splittertreffer in Kopf und Brust und war sofort tot. Wegen der starken Fliegertätigkeit konnte der Tote nicht sofort beerdigt werden. Seine Kameraden nahmen alle persönlichen Sachen des Gefallenen an sich und schickten sie später mit der Post nach Betzdorf/Sieg, wo die Mutter bei Verwandten lebte. Die Sendung kam nie an. Peter Wegner blieb verschollen. Sein Leichnam wurde nie mehr geborgen. Wahrscheinlich haben amerikanische Truppen, die das Gelände kurze Zeit später besetzten, ihn als unbekannten deutschen Soldaten auf einem Soldatenfriedhof in Luxemburg beerdigt.
Erst die Aussage eines Augenzeugen auf dem Standesamt in Saarburg am 23.8.45 brachte die endgültige Sicherheit über den Tod des Volkssturmmannes Peter Wegner.
Der amerikanische Soldat Henry Scott erlitt bei einem Granatüberfall auf seine Stellung am 2. März eine schwere Verwundung durch einen Splitter an der Seite. Nach der Erstversorgung durch seine Kameraden mussten diese sich angesichts der starken Kampfhandlungen auf Befehl zurückziehen und den Verwundeten alleine zurücklassen. Nach Beruhigung des Kampfgeschehens fanden die Soldaten ihren verwundeten Kameraden nicht mehr. Soldat Henry Scott war vermisst. Erst am 14. August 1946 endeten alle Hoffnungen seiner Eltern, denn sie erhielten die Nachricht, dass ihr Sohn gefallen sei und seine letzte Ruhe auf einem Soldatenfriedhof in Belgien gefunden habe. Nach Aussage einer Cousine des Gefallenen, die den Ort 1995 aufsuchte, wo ihr Verwandter vor 50 Jahren gestorben war, befindet sich seine letzte Ruhestätte heute auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof Sandweiler in Luxemburg.
In einer einsamen Stellung im Distrikt Hundscheidt, oberhalb von Saarhausen, erwartete der Wehrmachtsoldat Gerd Lotze den Feind. Obwohl die umliegenden Orte längst fest in amerikanischer Hand sind, ermöglichte die unwegsame Lage die Verteidigung einzelner Stellungen. Gerd Lotze stammte aus Bremen. Er war Eisengroßhändler, verheiratet und Vater von vier Kindern. Er hatte seinen Kindern eine Skizze von seiner Stellung geschickt, später wird diese Zeichnung es ermöglichen, den genauen Ort seines Todes zu lokalisieren. In seinem letzten Tagebucheintrag vom 11. März schrieb er von starkem Artilleriebeschuss durch die Amerikaner. Dies war das letzte Lebenszeichen von Gerd Lotze. Wochen später fanden drei Männer den Leichnam des Gefallenen. Einschüsse von Grantsplittern im Kopf zeugten von einem schnellen und schmerzlosen Tod. Nur der Umstand, dass der Gefallene noch seine Papiere bei sich trug, ermöglichte eine genaue Identifizierung. Die Familie Düro von Saarhausen, auf deren Gelände der Tote gefunden wurde, sorgte für eine würdige Grabstätte und benachrichtigte die Angehörigen. Die Nachricht war für die Familie schockierend, hatte man doch von einem angeblichen Kriegskameraden des Gefallenen die Nachricht erhalten, er habe den Vermissten in einem Gefangenenlager in Frankreich gesehen. Ein Jahr später besuchte die Frau von Gerd Lotze sein Grab und erreichte trotz großer Schwierigkeiten schon 1946 die Überführung der sterblichen Überreste nach Bremen.
Volkssturmmann Peter Wegner, Soldat Henry Scott und Gefreiter Gerd Lotze wurden aus der Anonymität der Masse von Tausenden von Gefallenen, die in den Februar und Märzwochen im Bereich des Orscholzriegels ihr Leben lassen mussten, durch die Kenntnis über die Umstände ihres Todes personifiziert. Verschieden durch Alter, Herkunft, Beruf, Religion und Nationalität, verbindet sie alle das gleiche Schicksal, kurz vor Ende des Krieges unerwartet und plötzlich vom Tod ereilt worden zu sein.
Die Unerbittlichkeit des Krieges zerstört auch das Glück ihrer Familien. Um Gerd Lotze, den strenggläubigen Christen aus Bremen trauern Frau und vier Kinder. Der Volkssturmmann Peter Wegner, der in unmittelbarer Nähe seines Heimatdorfes fällt, hinterlässt seine Ehefrau mit drei Töchtern, die nun ohne den Vater die Existenznöte der Nachkriegsjahre durchstehen müssen. Und von Henry Sott, dem jungen Amerikaner, bleibt nur noch eine Erinnerung für seine Eltern, deren letzte Hoffnung nach der Vermisstenmeldung durch die Bestätigung des Todes im August 1946 zerstört wird.
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Text
1: Peter
Wegner |
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Bild- und Quellennachweis zu T. 1 – T. 3: Privatarchiv Brittnacher